Die Rolle der Belichtungszeit beim Blitzen
Dies ist ein sehr interessantes Thema. Normalerweise spielt die Belichtungs- bzw. die Verschlusszeit beim Blitzen keine Rolle. Im dunklen Studio z. B. ist sie nahezu irrelevant. Für eine Sache ist die Belichtungszeit beim Fotografieren mit dem Blitz allerdings sehr wichtig.
Die Leuchtdauer eines handelsüblichen Aufsteckblitzes beträgt – je nach Leistung – ungefähr zwischen 1/250 und 1/50000 Sekunde. Je höher die Leistung des Blitzes ist, desto länger leuchtet er. Dies ist in allen Fällen jedoch ein äußerst kurzer Licht-Moment. Bis bei der Aufnahme noch keine schwarzen Streifen (vom Verschlusstuch) auf dem Bild zu sehen sind, können moderne Spiegelreflexkameras mit einer Belichtungszeit von noch ca. 1/250 Sekunde einen Blitz fehlerfrei auslösen. Bei kürzeren Verschlusszeiten schafft es der Verschluss dann nicht mehr, vollständig offen zu sein, wenn der Blitz auslöst. Längere Belichtungszeiten gehen dafür allerdings immer (zum Beispiel 1/4 Sekunde, 1/15 Sekunde usw.).
Der Blitz ist aber ohnehin fast immer kürzer als die kürzeste mögliche Blitzsynchronzeit. Daher ergibt es keinen Unterschied, löse ich den Blitz bei 1/60 Sekunde oder bei 1/250 Sekunde aus: Die Menge des Blitzlichtes, die auf das Motiv selbst fällt ist immer die selbe, denn bei 1/250 Sekunde wird es noch nicht abgeschnitten, da der Lichtimpuls ja eben kürzer ist. Ferner ist das Blitzlicht immer heller als das Umgebungslicht (sonst müsste man nicht blitzen). Wozu dann dieser Artikel?
Ich möchte gleich etwas abkürzen:
Mit der Verschlusszeit steuern wir die Intensität des Umgebungslichtes (falls überhaupt in entsprechender Stärke vorhanden).
Vernachlässigen der Belichtungszeit
Da es in einem Fotostudio zumeist immer recht dunkel ist bzw. da es in solchen Räumen nur Umgebungslicht gibt, welches ohnehin sehr viel dunkler als das Blitzlicht ist, kann hier die Verschlusszeit vernachlässigt werden. Ganz anders sieht dies beim Blitzen im Freien bei Tageslicht aus! Hier ist die Belichtungszeit sehr wohl relevant. Denn durch sie haben wir die fantastische Möglichkeit, den Hintergrund unabhängig vom angeblitzten Motiv in seiner Helligkeit zu steuern!
Die Hintergrund-Helligkeit steuern
Bei verhältnismäßig kurzen Belichtungszeiten wird der Hintergrund dunkel, bei längeren Zeiten wird er hell. Die Helligkeit des angeblitzen Motivs selbst beeinträchtigt dies zumeist gar nicht. So lässt sich im Extremfall am Tag eine Nacht simulieren, wenn man nämlich eine Kamera besitzt, welche noch bei äußerst schnellen Zeiten blitzen kann (zumeist Kompakt-Kameras mit rein elektronischem Verschluss).
Ich habe zum Thema Blitz-Synchronzeit schnell drei Beispielaufnahmen daheim gemacht:
Beim darauf klicken kann man die kleine Serie etwas größer betrachten. Zunächst etwas zur Beleuchtung: Ich hatte seitlich rechts einfach indirekt über eine weiße Wand geblitzt. Im Fenster sieht man die Spiegelung des kleinen Lichtflecks. Am Blitzlicht selbst wurde bei allen drei Fotos überhaupt nichts geändert. Aber haben Sie den Unterschied gesehen? Ja, richtig: Das Modell ist auf den ersten beiden Bildern fast gleich belichtet. Aber das Tageslicht draußen vor dem Fenster hat bei allen Bildern eine unterschiedliche Helligkeit! Auf einmal ist das Fenster nicht mehr dunkel und spiegelt hauptsächlich den Hintergrund des Raumes (und schlimmstenfalls eben das Blitzlicht selbst), sondern lässt bestenfalls einen Blick nach draußen zu (was hier allerdings nicht der Fall ist).
Durch die Verschlusszeit kann man also prima die Intensität des Umgebungslichtes seinen Wünschen anpassen, ohne dabei den Charakter des Kunstlichtes am eigentlichen Motiv groß zu verändern.
Mischlicht, Schatten aufhellen & Kontraststeuerung
Eines muss dennoch erwähnt werden: Ab einer gewissen Belichtungszeit summiert sich das Umgebungslicht mit dem Blitzlicht. Man erhält ein Mischlicht. Dies hat aber kaum eine Auswirkung auf die hellsten Bereiche des angeblitzen Motivs (siehe Motiv 1 und 2). Wäre dies der Fall, bräuchten wir gar nicht blitzen. Bei Motiv 3 wurde mit einer ganzen Sekunde Belichtungszeit eine extreme Verschlusszeit gewählt, wodurch das Tageslicht von Außen bereits klar zur Belichtung beiträgt. Betrachten Sie hierzu die nun (für meinen Geschmack zu sehr) aufgehellte linke Seite der Person. Hier ist bereits so viel Umgebungslicht im Spiel, dass die markante, rechts-betonte Lichtcharakteristik verloren geht. Dafür erhält die Aufnahme nun einen lichtegfluteten Charakter. Hier muss man überlegen, was für eine Lichtcharakteristik man überhaupt möchte.
In der täglichen, „normalen“ Praxis aber lässt sich das Umgebungslicht nutzen, um Schatten dezent aufzuhellen – falls jene nämlich nicht durch das Blitzlich selbst erreicht werden (wenn man beispielsweise keinen Aufheller oder einen zweiten Blitz nutzt). Je länger die Belichtungszeit, desto besser werden auch die Bereiche eines Motivs wiedergegeben, welche gar nicht vom (seitlichen) Blitz selbst getroffen werden. Dies setzt natürlich eine gewisse Umgebungshelligkeit voraus. Ist es zu dunkel, müsste man so lange belichten, dass ein sich bewegendes Motiv verwackelt.
Mit der Verschlusszeit kann ich bei einem Blitz als Hauptlicht den lokalen Kontrast bei meinem angeblitzten Motiv steuern – sofern der Blitz nicht frontal von vorne eingesetzt wird, sofern genügend Umgebungslicht vorhanden ist und sofern meine Kamera über ein breites Spektrum an funktionierenden Synchronzeiten verfügt. Bei sehr kurzen Verschlusszeiten bleiben alle Stellen im Bild dunkel, die nicht vom seitlichen Blitz getroffen wurden und die nicht genügend durch andere Maßnahmen aufgehellt worden sind. Viele kleine Schatten entstehen. Solche Schatten sind wichtig für einen dreidimensionalen Abbildungscharakter. Oft sind solche Schatten aber zu viel des guten, so dass sie etwas aufgehellt werden müssen. Und dies ist bei genügend Umgebungslicht durch eine etwas längere Belichtungszeit möglich, um den lokalen Motivkontrast etwas zu senken.
Hierzu ein Beispiel:
Beispiel Kontrastminderung
Bei diesem schönen Foto wurde mit einer kurzen bzw. schnellen Belichtungszeit fotografiert. Was bewirkte dies? Das Blitzlicht traf auf den Reflektor und wurde somit recht großflächig zur Person zurück geschleudert. Dieses Licht wirkt von der Seite auf das Modell ein. Das Umgebungslicht wird durch die knappe Verschlusszeit fast ausgesperrt! Dadurch entstehen markante Schatten – gut zu sehen z. B. im Bereich der Jacke. Der lokale Kontrast im Bereich Person ist äußerst hoch!
Nun wollen wir doch mal länger belichten und schauen, was passiert:
Na, das sieht doch komplett anders aus! Der Blitz dominiert noch die Lichtsituation. Aber das Umgebungslicht wurde hier wesentlich stärker mit in das gesamte Lichtset mit einbezogen – allein durch eine längere Verschlusszeit. Der lokale Kontrast wurde abgemildert. Dennoch haben wir durch die Blitz-Reflektor-Lösung ein schönes Führungslicht.
Kontrasterhöhung
Dies ist das genaue Gegenteil: Mit Hilfe einer sehr kurzen Belichungszeit kann beispielsweise fast künstliche Nacht erzeugt werden:
Bei diesem Foto mit entfesseltem Blitz wurde durch eine sehr knappe Belichtungszeit ein Großteil des Umgebungslichtes von der Belichtung ausgeschlossen und somit dominierte klar das Blitzgerät.
Beachten Sie: Es war taghell bei dieser Aufnahme! Über diesen Effekt habe ich einen eigenen Artikel geschrieben: Der Porty Look.
Lichtfarbe
Obacht: Die Farbe des Blitzgerätes ist immer weiß (außer man blitzt beispielsweise gegen einen goldenen Reflektor, wie oben). Es ist das natürlichste Licht mit allen Farbanteilen. Die Farbe des Umgebungslichtes entspricht meistens allerdings nie der weißen des Blitzlichtes! Das bedeutet beispielsweise, nutzen wir ein Glühlampenlicht als Aufhelllicht, dass unsere Schatten gelblich werden! Hier müsste man dann einen leichten Gelbfilter auf das Blitzlicht stecken, um dessen Lichtfarbe der des Umgebungslichtes anzupassen.
Betrachten Sie hierzu nur einmal Aufnahme Nummer 3 der kleinen Sofa-Serie am Beginn dieses Artikels: Hier wurde mit 1 Sekunde eine sehr lange Belichtungszeit gewählt, wodurch das (wärmere) Nachmittags-Tageslicht von Außen zum wesentlichen Teil der gesamten Belichtung wurde. Zwar dominiert das Blitzlicht noch. Das Umgebungslicht hellt aber stark die Schatten auf und das Bild bekommt einen wärmeren Farbton – Vergleichen Sie nur den Grauton des Teppichs!
Oder stellen wir uns eine andere Innenaufnahme vor: Jene soll durch den Blitz korrekt ausgeleuchtet sein. Auch die Fenster sind weder überstrahlt noch schwarz sondern zeigen den Himmel und den Kirchturm draußen vor dem Haus. Aber da draußen ist alles in Blau gehüllt wie in einem Gedicht! Ja, weil die Lichtfarbe am frühen Morgen einen blauen Charakter hat und der Weißabgleich der Kamera auf das neutrale Blitzlicht eingestellt war. Ein leichter Blaufilter auf dem Blitz wäre hier genau das richtige Zubehörteil. Freilich muss bei Filtern stets ein entsprechender Weißabgleich vorgenommen werden. Wichtig ist nur, dass alle Lichtquellen die gleiche Farbe haben. Diese Regel kann man natürlich auch brechen bzw. entsprechend variieren. So ist gerade eine dezente Lichtmischung aus leicht gelblichem und leicht blauem Licht oftmals sehr ansprechend.
Lesen Sie hierzu bei Interesse auch meinen Artikel: Blitzen mit Filterfolien.
Selbstleuchtende Bildbereiche
Weiterhin ist unbedingt die Verschlusszeit beim Blitzen zu berücksichtigen, wenn sich selbstleuchtende Gegenstände im Bild befinden und deren natürliches Eigenlicht nicht „kaputt geblitzt“ werden soll. Ein solcher Gegenstand wäre beispielsweise eine hübsche Nachttischlampe. Wir könnten hier zunächst den gesamten Raum schön mit dem Blitz ausleuchten, indem wir beispielsweise indirekt gegen die Decke blitzen. Damit das schöne Licht der Lampe aber auch zur Geltung kommt, muss lange genug belichtet werden: Nachdem der Blitz selbst bereits in einem Sekundenbruchteil alles ausgeleuchtet hat, geben wir dem schummrigen Licht der Nachttischlampe noch die (längere Verschluss-) Zeit, ihr Licht ebenfalls auf dem Sensor der Kamera „einzuschreiben“. Die Belichtungszeit darf in diesem Fall beim Blitzen also nicht zu kurz sein.
Auch bei dieser Produktfotografie war es wichtig, die Belichtungszeit der Kamera recht lang zu halten (ca. 1/4 Sekunde), damit das Eigenleuchten des Smartphone-Displays ebenfalls fotografiert werden konnte. Hätte ich eine kurze Verschlusszeit gewählt, wäre der Bildschirm schwarz abgebildet worden.
Bei dieser Fotografie einer Kerze hingegen durfte die eingestellte Belichtungszeit nicht zu lang sein, da ansonsten die Flamme überbelichtet gewesen wäre.
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Lange Belichtungszeiten beim Blitzen
Zum Abschluss noch eine kleine Spielerei:
Bei diesem Foto hatte ich eine Sekunde lang belichtet, während die Kamera natürlich auf dem Stativ fest montiert war. Am Anfang der Belichtung zündete der Blitz. Als Ergebnis hat man ein scharfes Kernbild, welches durch eine Bewegung überlagert ist. Im oberen Bildbereich gelangte während der ganzen Sekunde das Tageslicht direkt auf den Sensor und „überlagerte“ das vorher aufgezeichnete Blitzbild, dass nunmehr diese Verzerrung entsteht. Hier kann man experimentieren!
Interessanter Artikel, gut geschrieben!
Eine Sache ist mir zur Blitzsynchronisierung gekommen: könnte die Kamera bei sehr kurzen Belichtungszeiten nicht den Blitz auslösen bevor die Belichtung anfängt, und somit verhindern dass das Bild durch den Verschluss abgeschnitten wird?
Hallo, das Problem ist ja, dass bei den kurzen Belichtungszeiten der Schlitzverschluss (den die meisten Kameras haben) nie komplett offen ist, sondern entweder wie bei einem Scanner ein kurzer, offener Streifen über das Bild fährt oder sich nacheinander ähnlich zweier Rollos bei einem Doppelfenster öffnen bzw. schließen (nie zusammen offen sind). Beim Blitzen wäre dies zu sehen bzw. ein Teil des Bildes wäre schwarz. Da hilft auch kein zuvoriges Aktivieren des Blitzes. Hier würde nur eine verlängerte Blitzzeit über den gesamten Vorgang / Ablauf des Verschlusses helfen, wie es viele moderne System ja bieten (FP-Kurzzeitsynchronisation) zu Lasten allerdings der Reichweite bzw. Leistung. Früher gab es Blitzbirnen, die brannten auch länger ab und mussten sogar etwas früher gezündet werden. Daher gab es an vielen älteren analogen Kameras noch einen Schalter „X“ auf „M“, um (bei M-Stellung) ein frühzeitiges Zünden zu aktivieren. Dieser Schwank aber nur am Rande.
Super erklärt und dass man es auch versteht. Daumen hoch und danke.
Sehr gut erklärt. Da lernt selbst ein Fortgeschrittener noch etwas.
Toll, herzlichen Dank für diese ausführlichen Erklärungen!
Da danke ich aber jetzt mal! Bisher habe ich das Blitzen eher gefürchtet, weil die Ergebnisse nur vom Zufall abhängig waren. Nun habe ich die Zusammenhänge VERSTANDEN, dank Deiner sehr guten und verständlich geschriebenen, mit Fotos unterfütterten Erklärungen. Nun werde ich Deine anderen Artikel mit und mit lesen, da ich für mich noch sehr viel Lernpotential sehe.
LG, Heinz