Die Leitzahl in Bezug zur korrekten und konservativen Belichtung
Nachdem man einmal die korrekte Leitzahl seines Blitzgerätes anhand der Herstellerangaben bestimmt hat, kann man jenes völlig manuell und ohne einen Belichtungsmesser nur anhand von Formeln korrekt einstellen. Doch wird dies auch einer konservativen Lichtmessung gerecht? Häufig muss man noch mehr Licht drauflegen als eigentlich ermittelt.
Einleitung
Ich habe bereits vier Artikel verfasst, auf welche ich mich an dieser Stelle zunächst beziehen möchte: Zuerst geht es um das eigene Bestimmen der individuellen Leitzahl eines Blitzgerätes. Dann ist da der Artikel über die tatsächliche Leitzahl des Blitzgerätes. Zum anderen habe ich einen Artikel geschrieben, in welchem ich wichtige Formeln zum manuellen Blitzen aufgelistet habe. Und zu guter Letzt ging es darum, wie man sich eine individuelle Blitztabelle für jedes seiner Geräte anfertigt.
In diesem Artikel soll es darum gehen, inwiefern die Leitzahl (LZ) eines Blitzgerätes selbstredend für eine korrekte manuelle Belichtung steht, indem man diese nämlich mit einem Belichtungsmesser überprüft. Ich möchte an dieser Stelle gleich abkürzen:
Aber der Reihe nach:
Die reguläre Leitzahl
Ein Hersteller eines Blitzgerätes gibt für jenes eine bestimmte Leitzahl an. Jedoch muss man hierfür auch die ISO-Empfindlichkeit sowie die Reflektorstellung des „Zoom-Kopfes“ (falls vorhanden), auf die sich die LZ-Angabe bezieht, wissen. Alles kein Problem. Nun haben wir die korrekte Leitzahl unseres Blitzes ermittelt und können anhand der Blitzformeln völlig manuell ein oder mehrere Blitzgeräte einsetzen.
Doch wie bereits angedeutet, erhält man auf diesem Wege nur eine – nach konservativen Maßstäben – korrekte Belichtung, sofern man
- sich in einem engen, weiß gestrichenen Raum befindet! Denn auf solche Räumlichkeiten bezieht sich jede Leitzahl-Angabe und
- den Blitz nackt frontal, also aus Kamerarichtung einsetzt.
Normalerweise stellt ein solcher Umstand allerdings nicht den „Blitz-Alltag“. Denn eine automatische TTL- oder Computerbelichtung berücksichtigt jeden Raum in seiner Eigenart völlig automatisch. Und erst recht, wenn man mittels Blitzbelichtungsmesser misst, kommt man selbstredend in jeder Räumlichkeit bzw. im Freien auf das korrekte Ergebnis. Nur, wenn man sich an Rechnungen bzw. an den auf alten Blitzgeräten befindlichen Skalen und Tabellen orientiert, läuft man Gefahr, sein Motiv unterzubelichten, sofern man sich eben nicht im besagten weißen Raum befindet oder wenn man das Blitzgerät entfesselt.
1. Blitzen in einem winzigen weißen Raum
Was hat es mit diesem Raum auf sich? Löst man hier einen Blitz aus, so trifft der Großteil seines Lichtes direkt auf das Motiv, welches jenes natürlich wieder in Richtung Kamera zurück reflektiert (so entsteht ja erst das (Ab-) Bild. Nun wird dieses zurück reflektierte Licht an der Wand hinter dem Fotografen erneut zum Motiv reflektiert. Die Lichtmenge summiert sich also ein ganz klein wenig. Aber das war erst ein geringer Teil. Zumeist geht ja rechts, links, oben und unten am Motiv Blitzlicht vorbei und trifft es gar nicht. Dieses Licht würde im Freien einfach „verpuffen“. Nicht so in einem solch kleinen Raum: Hier springt es wie ein Pingpongball durch den ganzen hellen Raum, bis es schließlich ebenfalls auf das Motiv trifft, welches auch dieses Licht in Richtung Kamera reflektiert. Freilich geschieht dies alles in einem Bruchteil einer Sekunde! Die gesamte Lichtmenge, welche auf das Motiv eingewirkt hat, ist also in einem solchen Raum ein klein wenig höher als in einem großen Raum mit dunklen Wänden oder gar im Freien.
Dies ist wichtig zu wissen, wenn man seinen Blitz manuell anhand von z. B. Tabellen bedient.
2. Direkter Blitz vs. indirekter Blitz
Der nächste Punkt ist eigentlich noch wichtiger und in der Literatur kaum bis vielleicht gar nicht besprochen. Auch ich benötigte lange Zeit, um hinter das Phänomen zu kommen. Es geht um folgendes: Blitzt man ein Motiv frontal mit einem auf die Kamera gesteckten Blitz an, so kommt es hierbei immer zu Reflexionen: Das weiße Licht des Blitzes wird zu einem Teil direkt wieder zurück zur Kamera reflektiert, ohne aber Bildinformationen mitgenommen zu haben. Sie kennen das bei direkt angeblitzte Porträts: Deren Hautton ist eher von blasser und plötzlich hellerer Natur, da sich hier einfach das Licht des Blitzes spiegelt.
Doch dieses Prinzip kann man sich auch zu nutze machen: Denn ebenso spiegelt sich das direkte, harte Blitzlicht in den sogenannten Schatten des Bildes: In schwarzen Stoffen, auf dunklen Hintergründen. Diese Bildelemente werden plötzlich heller wieder gegeben als es rein technisch nach einer konservativen Lichtmessung eigentlich der Fall ist! Dieser Effekt bewirkt, dass hier plötzlich Detailzeichnung erscheint, die eigentlich gar nicht da sein dürfte. Schauen wir uns ein Bildbeispiel hierzu an:
Bei beiden Porträts wurde die exakt gleiche Lichtmenge abgebeben. Bei dem Foto rechts aber nutzte ich die sogenannte „Kreuzpolblitz-Technik“ bei welcher jegliche Spiegelungen verschwinden und mittels welcher man einen wesentlich besseren Hautton mit dem direkten Blitz erreicht. Doch schauen Sie sich die Zeichnung im schwarzen Polohemd des Models an! Nur bei dem linken Bild, welches mit Reflexionen übersät ist, ist diese sichtbar, obwohl die Lichtmenge stets die selbe war.
Dadurch, durch das Auftreten von Reflexionen beim direkten Blitzen, ist es also möglich, eigentlich zu geringe Leitzahlangaben bei Blitzgeräten anzugeben, die sich bei einer Messung mit einem Blitzbelichtungsmesser als eigentlich zu gering ergeben.
Blitz man aber durch eine Softbox oder durch einen Blitzschirm hindurch, ist dieser Effekt nicht mehr vorhanden. Hier muss man mit der konservativen Leitzahl arbeiten (und freilich zusätzlich den Lichtverlust durch die Softbox selbst einkalkulieren):
Die konservative Leitzahl
Denn sollte man sich im Freien aufhalten und dort mit Kunstlicht arbeiten oder in einem Raum, der sehr groß ist oder dunkle Wände hat (an denen kaum Licht reflektiert wird), muss man seine Belichtungswerte konservativ korrigieren.
Ich korrigiere in solchen Situationen immer um eine ganze Blende. Tatsächlich müsste man meiner Erfahrung nach im Freien um ca. eine 3/4 Blende korrigieren. Ich habe auch einen Test mit einem schwarzen Tuch gemacht: Jenes wird allerdings auch bei unkorrigiertem Licht noch akzeptabel durchgezeichnet! Edit: Ja klar, denn mittlerweile bin ich ja auch dahinter gekommen, dass Reflexionen auf schwarzem Stoff beim direkten Blitzen die Helligkeit erhöhen (siehe oben). Die Leitzahl eines Blitzgerätes hingegen ist so knapp berechnet, dass man sich in vielen Situationen (eben wenn man nicht direkt aus der Kameraposition blitzt bzw. immer dann, wenn es keine Reflexionen gibt) eng an der Grenze zur Unterbelichtung befindet und korrigieren muss:
Tabelle mit Beispielen der Leitzahl meiner Blitzgeräte
Als Beispiele zuletzt noch eine kurze Übersicht der regulären und konservativen Leitzahlen einiger meiner Blitzgeräte:
Blitzgerät | reguläre Leitzahl | konservative Leitzahl |
Metz 45 CT 3 | 45 | 33 |
Regula Variant 740 | 40 | 28 |
Yongnuo YN 560 | 40 | 22 |
Soligor 42 DA | 32 | 22 |
Diese Angaben beziehen sich alle auf einen ISO-Wert von 100 und auf eine Reflektorstellung von einem leichten Weitwinkel (ca. 35 mm im Vollformat). Sie sehen, die Angaben der Hersteller und jene, die mir mein Belichtungsmesser sagt, gehen durchaus auseinander!
Dividieren Sie daher ihre reguläre Leitzahl mit einen Wert von ca. 1,3 und Sie erhalten die konservative Leitzahl, mittels derer Sie auch im Freien und entfesselt (keine Spiegelungen) korrekt ausleuchten können, ohne einen Verlust an Schattenzeichnung zu riskieren.