Licht ins Dunkel: die tatsächliche Leitzahl eines Blitzgerätes
Die Leitzahl eine Aufsteckblitzes ist ein oft diskutiertes Thema. Richtig ist, dass man hiermit die Lichtleistung des Blitzgerätes einschätzen kann. Allerdings muss bei der Angabe der wahren Leitzahl differenziert werden, denn sie ist ein flexibler Wert, der von verschiedenen Faktoren abhängig ist.
In diesem Beitrag möchte ich erklären, von welchen Dingen die echte Leitzahl (LZ) eines Blitzes abhängig ist, bzw. wie man sie in Bezug zur Herstellerangabe setzt und überprüft. Denn leider verspricht dieser angegebene Wert selten das, was man vielleicht von ihm erwartet.
So wäre es schön, mit der Leitzahl eine feste Größe zum Vergleich zu haben, wie sie beispielsweise mit der Watt-Angabe einer Glühbirne bereit gestellt wird. Diese gibt uns unmissverständlich Auskunft über den Grad der Helligkeit dieses Leuchtmittels. Bei der Leitzahl eines Blitzgerätes allerdings muss man z. B. insofern differenzieren, als wäre eine sehr hohe Watt-Zahl einer Glühlampe lediglich für Menschen mit besonders guten Augen hoch.
Abhängigkeiten der Leitzahl
Grundsätzlich gilt: Je höher die angegebene Leitzahl eines Blitzgerätes desto höher ist die Lichtmenge, die es abgeben kann. Die Lichtmenge selbst setzt sich aus der Leuchtdauer und der Helligkeit zusammen. Eine hohe Leitzahl ist also zunächst immer eine gute Produkteigenschaft.
Die LZ ist aber keine feste Größe, welche dem Blitz einmalig zuzuordnen ist! Warum wird sie dann vom Hersteller trotzdem angegeben? Der Hersteller bezieht sich bei seiner Angabe auf ganz bestimmte Einstellungen, welche aber variabel sind – Der Wert der Leitzahl ist abhängig von zwei weiteren Größen, welche zur richtigen Beurteilung unbedingt bekannt sein müssen:
- der an der Kamera eingestellte ISO-Wert und
- der am Blitzkopf eingestellte Lichwinkel (der „Zoom“ – falls vorhanden)
Je höher der an der Kamera eingestellte Wert der ISO-Empfindlichkeit des Sensors ist, desto höher ist die Leitzahl.
Je enger der Lichtkegel des Blitzkopfes ist (je höher der „Zoomwert“ ist), desto höher ist die Leitzahl.
Der ISO-Wert und die Leitzahl
Zunächst liegt das Augenmerk bei der Beurteilung der tatsächlichen Stärke eines Blitzgerätes auf dem ISO-Wert bzw. auf dem Wert, auf welchen der Bildsensor der Kamera „eingestellt“ ist.
Beispiel mit einem Nikon Speedlight
Ein Blitzgerät der Marke Speedlight SB-900 von Nikon wird mit einer Leitzahl von 48 beworben. Das klingt zunächst recht stark, wenn man die traditionellen Werte im Hinterkopf hat, bei denen die Leitzahl üblicherweise angegeben wird. Keinesfalls aber sollte man bereits die Leistung des Gerätes allein mit der Herstellerangabe der LZ beurteilen! Es stellt sich nämlich noch die Frage: bei welcher ISO-Empfindlichkeit gilt diese LZ 48 und bei welcher Zoom-Position des Kopfes? Denn ich frage mich, ob ich diese Leitzahl auch mit einem Weitwinkelobjektiv und einem qualitativ günstigen (also niedrigen) ISO-Wert nutzen kann. Zumeist wird dies mit den angegebenen Werten nicht der Fall sein.
Traditionell wird die Leitzahl mit folgenden „Hintergrundwerten“ angeben:
ISO 100 & Leuchtkegel von 35 mm.
Diese 35 mm beziehen sich auf die Brennweite eines Objektives an einer Vollformatkamera (bzw. analogen Kleinbildkamera). Bei diesen Geräten bedeuten 35 mm ein leichtes Weitwinkelobjektiv. Ein Leuchtkegel von 35 mm deckt also den Bereich des Mortives ab, der von einem leichten Weitwinkelobjektiv aufgenommen wird.
Bei meinem Beispiel mit dem Nikon-Blitzgerät wurde aber getrickst: Hier bezieht sich die Leitzahl auf einen ISO-Wert von 200. Dies muss man zunächst umrechnen, um auf einen vergleichbaren Wert bei 100 ISO zu kommen:
Eingesetzt in die Formel kommen wir nun bei dem Nikon-Blitzgerät auf eine Leitzahl von immerhin noch 34 bei ISO 100. Erst mit diesem Wert sollte man Vergleiche anstellen. So ist besagtes Speedlight sogar noch etwas schwächer als mein 55€-Yongnuo-Blitz.
Wir können die Formel auch umstellen und z.B. ausrechnen, wie hoch die Leitzahl des Speedlights bei 400 ISO wäre: ganze 68! Sehen Sie, wie man hier bei Artikelangaben tricksen kann und inwiefern die Leitzahl eine flexible Größe ist?
Natürlich benötigt man die neuen (höheren) Leitzahl-Werte, möchte man bei entsprechend höheren ISO-Werten manuell die Blitz-Formeln benutzen.
Der Leuchtkegel und die Leitzahl
Eine äußerst praktische Erfindung ist der sogenannte „Zoom“ bei Blitzgeräten. Dies ist ein optisch-mechanisches Bauteil, was mittels einer Fresnel-Scheibe das abgegebene Licht bündelt – Man ändert hiermit den Leuchtkegel: Je enger dieser Leuchtkegel, desto konzentrierter bzw. stärker ist das Licht. Die Leitzahl erhöht sich, genau so wie es sich beim Kerzen-Auspusten verhällt: Durch Spitzen der Lippen erhöht sich die Stärke der ausgepusteten Luft. Etwas weiter unten im Text komme ich diesbezüglich noch einmal auf das Beispiel mit dem Nikon Speedlight zu sprechen. Denn auch mit dem Leuchtkegel tricksen die Hersteller, um möglichst hohe Leitzahlen angeben zu können. So ist ein Leuchtkegel von „35 mm“ nicht gleich ein Leuchtkegel von „35 mm“ (Dies ist kein Schreibfehler).
Eigentlich dient der „Blitz-Zoom“ dem Gebrauch von höheren Brennweiten mit einem Wert über dem leichten Weitwinkel. Bei einem Nicht-Weitwinkel- oder „Normalobjektiv“ würde man ja ohne Verengung des Leuchtkegels einen Teil des Blitzlichtes auf Bereiche schicken, welche gar nicht mehr vom Objektiv (Tele) erfassbar sind. Man würde Licht bzw. Energie „verschenken“. Dass Blitzgeräte einen solchen „Zoom“ direkt im Kopf eingebaut haben, ist relativ neu. Ich kenne kaum ein älteres Gerät aus den 1980er Jahren, bei welchem so etwas verbaut war. Ausnahmen bilden z. B. der Cullmann CX 40 oder der Soligor 42 DA (sofern beide Geräte nicht schon aus den 1990er Jahren stammen). Es gab aber für einige Geräte entsprechendes Zubehör zum Aufstecken. Lesen Sie bei Interesse auch meinen Artikel: Den Zoom bei Blitzgeräten optimal nutzen.
Inwieweit sich die Leitzahl bei welcher Brennweiten-Einstellung am Zoom des Blitzkopfes verändert, kann man nicht so pauschal ausrechnen, wie es bei der ISO-Geschichte der Fall ist. Dies ist von Gerät zu Gerät unterschiedlich.
Bei meinem Regula-Variant-Blitzgerät, welches mit einer Leitzahl von 40 angegeben ist – bei 100 ISO & und bei 35 mm – erhalte ich durch Verwendung eines (separaten) Zoom-Aufsatzes mit Maximalstellung auf 200 mm eine ganze Blende Lichtgewinn, was umgerechnet eine Erhöhung der LZ von 40 auf 56 ergibt (bei 100 ISO, wohlgemerkt). Wenn ich aber bei 400 ISO arbeiten würde, dann hätte das selbe Blitzgerät mit dem 200mm-Zoom die enorme Leitzahl von 112!
Natürlich kann man einen derart eingeengten Lichtkegel nur mit eben den entsprechend langen Brennweiten nutzen. Nutzt man mit einem solchen Aufsatz bzw. mit einer solchen Telelicht-Einstellung ein „Normalobjektiv“, so wäre lediglich das Zentrum des Motivs korrekt durch den Blitz ausgeleuchtet. Freilich kann man die „Zoom-Einstellung“ am Blitzlicht auch mit hierfür eigentlich zu kurzen Brennweiten-Objektive kombinieren, um bei dann hellerem Licht lediglich das Bildzentrum zu betonen.
Anhand dieser Grafik sehen Sie das Verhältnis zwischen „Brennweite“ des Zoom-Leuchtkegels und Brennweite des Objektives. Je enger der Leichtkegel ist (hohe Brennweite), desto heller wird das Blitzlicht.
Eine weitere, wichtige Anwendungsmöglichkeit des „gezoomten“ Blitzes ist aber die der indirekten Belichtung mittels einer Reflexionsfläche. Hierbei spielt die Größe dieser Leuchtfläche eine gewisse Rolle, was den Lichtcharakter angeht. Diese Größe kann man nun einfach mit dem Leuchtkegel am Blitzgerät ändern – ohne das Blitzgerät zur Reflexionsfläche hin- bzw. von ihr wegbewegen zu müssen. Man kann dadurch oftmals auch mit dem Blitz direkt auf der Kamera arbeiten und muss nicht unbedingt entfesseln bzw. die Leuchtquelle irgendwo im Raum positionieren. Mittels dem „Zoom“ schicken wir unser Licht einfach gebündelt quer durch den Raum an die nächste Reflexionsfläche.
Zoom-Brennweite ist nicht gleich Zoom Brennweite
Noch etwas zu den Millimeter- bzw. Brennweitenangaben am Zoom: Diese sollten sich traditionell auf Brennweiten für das → analoge Kleinbildformat beziehen. Äquivalent zu dessen Brennweiten-Maßstab ist heute das sogenannte „Vollformat„. Beim Vollformat also stellt ein 35 mm Objektiv ein leichtes Weitwinkel dar und ein 200 mm Objektiv lediglich ein „normales“ Tele. Das 50mm-Obkjektiv ist hier die „Normalbrennweite“.
Daher ist es wichtig zu wissen, wenn man mit einer Kamera kleineren Sensorformates arbeitet (was die Meisten noch machen werden) und ein Blitzgerät benutzt, ob dessen „Zoom-Angaben“ sich auf die Brennweiten für Vollformatkameras oder eben für gecropte Formate (bzw. kleinere Sensoren) beziehen. Ist ersteres der Fall, entsprechen die „Zoom-Nummern“ am Blitz nämlich nicht jenen Millimeter-Angaben am Objektiv der Kamera mit kleinerem Sensor: Man sollte dann immer einen etwas höheren „Zoom-Wert“ am Blitzkopf einstellen – sofern man dies überhaupt manuell vornehmen möchte, um etwas Lichtverlust zu verhindern.
Beispielsweise müsste man bei einem 35 mm Objektiv an einer Digitalkamera mit kleinem APS-C bzw. DX-Sensor einen Zoom von 50 mm am Blitzkopf einstellen. Erst dann wäre der Leuchtwinkel ungefähr mit dem Winkel identisch, mittels welchem das Objektiv das Motiv abdeckt. Würde man es nicht tun, würde man zu viel ausleuchten bzw. Energie und Leistung verschenken. Im Automatikmodus einer Kamera mit Systemblitz muss man sich hierzu jedoch keine Gedanken machen: Hier wird der Lichtkegel des Blitzes ja automatisch und intelligent von der Kamera je nach Winkel des Objektives und je nach Größe des Sensors gewählt.
Ein Vergleich ohne Zweifel
Ich wollte kürzlich zwei Blitzgeräte in ihrer Leistung vergleichen. Den Zoom-Angaben traute ich nicht, denn ob jene tatsächlich den gleichen Abstrahlwinkel bilden, ist ungewiss. Mit einem Blitzbelichtungsmesser oder mit dem Histogramm an der Kamera bzw. innerhalb eines Computerprogramms lässt sich die Leistung zweier Blitzgeräte vergleichen, ohne hierbei genau über den tatsächlichen Abstrahlwinkel des Zoom-Kopfes informiert sein zu müssen! Man bedient sich hierbei der Tatsache, dass das Licht einer Reflexion immer die gleiche Stärke besitzt – egal bei welcher Zoom-Stellung des Blitzkopfes. Man misst also das reflektierte Licht:
Das Foto lässt sich per Click noch etwas vergrößern.
Die Lichtintensität des reflektierten Lichtes ist bei allen Zoom-Positionen gleich! Denn die Lichtstärke einer kleinen hellen Fläche ist genau so hoch wie jene einer großen dunkleren Fläche. Dies Summe macht’s – und deren Wert ist bei beiden Brennweiten-Zoom-Positionen des Kopfes gleich. Auf diese Art lässt sich die tatsächliche Leistung unabhängig von der optischen Verengung des Lichtkegels und künstlichen Verstärkung des Lichtes messen bzw. vergleichen. Der die Leitzahl beeinflussende Faktor der „Zoom-Brennweite“ fällt beim indirekten Blitzen ganz weg!
Hinweis: Um nach dieser Methode Messen zu können, benötigt man entweder einen Blitzbelichtungsmesser mit Kalotte zur sogenannten „Lichtmessung“. Oder aber man nimmt hierfür das Histogramm der Kamera. Dabei darf man aber mit der Kamera nicht die angeblitzte Wand selbst anvisieren, wie auf den oberen Bildern! Man muss eine zweite, gegenüber liegende Fläche damit ausmessen, welche ihr Licht von der ersten Reflektorfläche „gebounct“ erhält. Denn erst durch die Reflexion kommt es ja zur besagten Lichtsumme.
Abschluss
All diese Faktoren sollten bei jedem Hersteller und bei jedem Gerät gleich sein, damit man eine plausible Antwort auf die konkrete Leistungsfähigkeit seines Blitzgerätes bekommt und damit man korrekt vergleichen kann.
Warum scheint dies aber niemanden zu stören? Mittlerweile ist es bei aktuellen Kameras weitaus weniger problematisch, den Bildsensor auf einen höheren ISO-Wert zu „schrauben“ als es analog bei Film der Fall ist. Hier schmälert sich die Auflösungsleistung bei höheren ISO-Werten – von älteren Digitalkameras ganz zu schweigen. Daher kann man durchaus auch mit schwächeren Blitzgeräten gut arbeiten – sogar, wenn man sie indirekt oder mit einem Diffusor davor einsetzt. Dennoch wäre eine transparente Klassifizierung wünschenswert.
Ich arbeite übrigens generell manuell mit einigen alten 80er Jahre Blitzen, welche eine Leitzahl von 40 bzw. 45 bereits bei einem Leuchtkegel für leichte Weitwinkelobjektive (35 mm im Vollformat) und bei 100 ISO besitzen. Hier habe ich hohe Leitung bei allerdings eher träger Arbeit: Die schnelle Bildfrequenz moderner und „intelligenter“ (aber schwacher) Blitze benötige ich für meine Motive weniger.
Nur ein einziger Blitz - dies ist die Prämisse bei diesem Buch. Der Autor vermittelt Techniken, mittels derer man mit möglichst minimalistischem Setting dennoch zu aussagekräftigen Fotografien gelangt, eben nur mit einem einzigen Blitzgerät.
Die konservative Leitzahl
Falls Sie anhand der Leitzahl Ihres Blitzgerätes die Blitztabellen nutzen und völlig manuell arbeiten, sei an dieser Stelle noch der Hinweis auf den engen, weißen Raum gegeben, auf welche sie jede Leitzahl-Angabe bezieht. Wenn Sie nämlich auf eine konservativ korrekte Belichtung Wert legen und diese für Ihr Blitzgerät anhand einer Formel ausrechnen, so vergessen Sie bitte nicht, dass die LZ nur in einem engen, völlig weiß gestrichenen Raum gilt und auch nur, wenn direkt aus Kameraposition geblitzt wird (Spiegelungen hellen künstlich auf). Für alle anderen Situationen muss man noch einmal ca. eine 3/4 Blende von der Leistung des Blitzes abziehen. Doch hierzu habe ich einen eigenen Artikel verfasst: Die konservative Leitzahl.
Weitere Links in diesem Zusammenhang
Ich habe mich auf meinem BlitzBlog ausführlich mit der Leitzahl beschäftigt. Lesen Sie bei Interesse auch:
Sicherlich ist auf meinem „Strobist-Blog“ noch der ein oder andere Artikel dabei, der Ihr Interesse zu wecken vermag.
Zu den Brennweiten für die Leitzahlangabe: korrekt ist, daß bei Zoomköpfen im allgemeinen die Leitzahl für f=50mm angegeben wurde. Bei Blitzen mit festem Kopf (die typischerweise für f=35mm gerade noch ausreichten) wurde aber die tatsächliche Leitzahl angegeben.
Ich habe neulich einen aktuellen Billigblitz im Netz entdeckt, der einen festen Kopf hatte (ich meine f=28mm oder so). Die beworbene Leitzahl war dann im Handbuch als für f=105mm gültig angegeben. Die bei Zoomköpfen heutzutage gängige Praxis, das Maximum anzugeben, ist ärgerlich genug. Eine „wenn ich ein Zoomblitz wäre, könnte ich eine Leitzahl von x erreichen“ Angabe ist vollends absurd, weil es gar keine realistische Umrechnung auf hypothetische Brennweiten gibt: das hängt immer von der jeweiligen Konstruktion ab.