Ein altes analoges Objektiv an einer DSLR benutzen
Eines gleich vorweg: der Begriff analoges Objektiv ist nicht ganz richtig. Eine solche Optik ist vom Grundprinzip her genau so aufgebaut wie Objektive für eine Digitalkamera und kann rein theoretisch auch auch an solche angeschlossen werden – ist dabei aber lediglich für eine „analoge“ Kamera (mit größerem Sensor) gedacht bzw. „berechnet“. Der Einfachheit halber wird diese Bezeichnung hier aber beibehalten.
Der Wirrwarr um Brennweite und Bildwinkel

Hat man eine Nikon-Digitalkamera lassen sich die alten Objektive sogar ganz ohne Adapter weiter nutzen.
Zuerst muss allerdings noch eine Sache geklärt werden, welche immer wieder für falsche Aussagen und Behauptungen sorgt. Daher sollte folgendes berücksichtigt werden:
Die Brennweite eines jeden Objektives ändert sich nicht bei Verwendung an einem anderen Kamerasystem!
Die Brennweite ist also eine feste, optisch-physikalische Eigenschaft, welche fest mit dem Objektiv verbunden ist, ganz gleich, ob diese Linse nun an einer analogen Kamera, an einer Digitalkamera oder an einer Gießkanne angesetzt wird. Ein Zoomobjektiv stellt hierbei hingegen eine Ausnahme dar: hier wird bewusst die Brennweite – durch Verstellung der Linsen – verändert. Doch auch hier bleiben die auf der Optik aufgedruckten Werte in einem festen Rahmen bzw. gleich, unabhängig davon, auf welcher Kamera das Objektiv aufgesetzt ist.
Was sich jeweils aber ändert ist der (durch den Durchmesser des Aufnahmemediums) erfassbare Bildwinkel (welcher natürlich ebenfalls gleich bleibt) des Objektives – salopp gesagt also das, was „hinten raus kommt“ bzw. das, was durch den kleinen Sensor überhaupt aufgenommen bzw. „abgefangen“ werden kann. Belichtet also beispielsweise eine 50mm-Brennweite die Breite eines Kleinbildnegatives ca. mit einem Bild aus, welches dem des menschlichen Blickfeldes entspricht (- Normalbrennweite), ist dies bei gleicher Optik (gleiche Brennweite) auf dem viel kleineren digitalen Sensor nicht mehr möglich, da hier ja links, rechts, oben und unten ein Stück fehlt. Das Bild ist also beschnitten (Cropfaktor). Um nun ein so beschnittenes Bild später auf das gleiche Papierformat zu bekommen wie bei dem Foto mit der analogen Kamera, muss es zusätzlich vergrößert werden. Das Resultat ist ein gleich großes Bild, nur eben, dass es „näher herangerückt“ ist – Das Ergebnis ist, dass hier nun das 50 mm – Objektiv die Rolle eines leichten Teleobjektives eingenommen hat.
Alte günstige und gute "analoge" Objektive mit dem damals weit verbreiteten "M42-Anschluss" lassen sich auch mittels Adapter an moderne Digitalkameras anschließen.
Genau anders herum verhält es sich bei einer Großformatkamera mit einem Filmformat von z.B. 10 cm x 13 cm: Hier würde ein 50mm-Objektiv als extremes Weitwinkel fungieren (sofern es überhaupt einen entsprechend hohen Bildkreis besitzt, um das große Format des Planfilms auszuleuchten). Bei einer solchen Kamera muss also mit ca. 150 mm Brennweite gearbeitet werden, um zur „Normalperspektive“ zu gelangen (da ja hier links, rechts, oben & unten mehr abgebildet werden kann). Die Eigenschaft einer solchen Konstellation – die geringe Schärfentiefe (bei „Normalperspektive“ wohlgemerkt) – ist hierfür typisch, wodurch die Fotografien einer Großformatkamera oft äußerst „plastisch“ bzw. fast „dreidimensional“ wirken, sofern die Objektive nicht allzu sehr abgeblendet werden. Eine solche Bilddarstellung ist mit den heutigen Digitalkameras nicht mehr möglich – Man müsste hierfür einzelne Bereiche des Bildes z.B. per Photoshop aufwendig selektiv bearbeiten oder durch das sogenannte Stitchen mehrere Bilder zusammen zu setzen, welche vorher nacheinander mit einem Teleobjektiv abfotografiert, ja eher „abgescannt“ worden sind. Immerhin: dieses „Stitching“ scheint dann doch ganz gut zu funktionieren.
Ein kleiner Vergleich eines analogen Objektivs auf einer Digitalkamera
Ich hatte für diesen – natürlich nicht wissenschaftlichen – Vergleich eine Nikon D70 und drei Objektive für diesen Test zur Verfügung:
Bei letzterem Objektiv handelt es sich um eine Optik für die Mittelformatkamera „Pentacon Six“ und es stellt im Mittelformat mit seinen 80 mm eine Normalbrennweite dar.
Das Biometar kann mittels Adapter leicht an geläufige Systeme wie Canon EOS oder eben Nikon angesetzt werden. Da die Pentacon Six ein verhältnismäßig hohes Auflagemaß (der Abstand zwischen Linse und Film bzw. Sensor) besitzt, benötigt dieser Objektivadapter keinerlei zusätzliche Linse zur Korrektur – er korrigiert lediglich den Abstand zwischen Sensor und Objektiv durch seine Höhe und besitzt natürlich das jeweilige unterschiedliche Bajonett von Kamera bzw. Objektiv. Ein Scharfstellen auf Unendlich ist beim Adaptieren von Objektiven, welche für ein verhältnismäßig hohes Auflagemaß berechnet sind, hierbei also ohne zusätzliches optisches Element möglich.
Natürlich werden hier mehr Äpfel mit Birnen verglichen denn Objektive der gleichen Art: Das Tamron ist ein Zoomobjektiv und es wird kaum überraschen, dass es hier die schlechteste Bildwiedergabe liefert. Auch besitzen alle drei Objektive verschiedene Brennweiten, wobei das Nikon 60mm schon leicht an die Brennweite der Zeiss-Optik herankommt. Ferner sollte die „visuelle Gewichtigkeit“ einer Fotografie sicher nie rein an ihrer optischen Qualität festgemacht werden. Das Entscheidendste sollte immer das Motiv sein.
Man gestatte dennoch diesen Vergleich, da dieses Testergebnis vielleicht verblüfft: Das verhältnismäßig spottbillige analoge Objektiv aus Jena macht auch an einer Digitalkamera die besten Bilder. Es wurde jeweils mit der selben Blende f/5,6 und der selben Verschlusszeit kurz hintereinander fotografiert. Auch wurde keines der Fotos mittels Bildbearbeitung verändert, sondern lediglich natürlich die Größe ans Web angepasst.
Nachtrag: So „spottbillig“ ist das Zeiss Biometar für die P-Six mittlerweile auch nicht mehr bei Ebay. Konnte man zum Zeitpunkt dieses Artikels ein solches Objektiv für ca. 40 Euro sicher ersteigern, muss man heute schon ungefähr das Doppelte hinlegen (was natürlich für so eine gute Optik immer noch äußerst günstig ist). Wer weiterhin für äußerst wenig Geld (~5€) ein sehr gutes Objektiv haben möchte, sollte sich auch mal z.B. das Zeiss Flektogon oder Tessar ansehen (für M42-Anschluss bzw. Adapter).
Tamron 17-50
Aufgenommen wurde das Foto mit dem Tamron AF 17-50 Zommobjektiv mit der höchsten Brennweite von 50mm.
Nikon Nikkor 60 mm
Bedingt durch die etwas größere Festbrennweite des Nikon Micro Nikkor 60 ist natürlich etwas weniger im Bild zu sehen. Auffällig ist hier aber die weitaus bessere Detailzeichnung. Das Foto, gemacht mit dem Tamron, wirkt diesem gegenüber eher „matschig“. Es bleibt natürlich die Frage offen, ob dies vielleicht nicht lediglich nur der 1 cm mehr Brennweite geschuldet ist – wohl eher nicht.
ein analoges Objektiv auf der Digitalkamera (Carl Zeiss Biometar 80)
Dieses Foto, gemacht mit dem analogen Objektiv auf der Digitalkamera „Carl Zeiss Biometar 80 2.8“ von meiner Pentacon Six, bedarf einer leichten Tonwertkorrektor via Photoshop. Ansonsten weist es in diesem Vergleich die wohl beste Detailwiedergabe auf. Ich kann die Frage nicht beantworten, ob dies wiederum lediglich an der etwas höheren Brennweite liegt (+ 20mm gegenüber dem Nikkor 60). Ich vermute nicht.
Da aber ein solches Objektiv per Ebay ab ca. 50 € zu erwerben ist, dürfte dieser kleine Vergleich ohnehin nicht ganz so unspektakulär sein.
Details – Vergleich – Ausschnitte der Fotos der verschiedenen Objektive
Von den einzelnen Bildern wurden nun Ausschnitte gemacht, so allerdings, dass die kleineren jeweils auf die gleiche Größe des größten skaliert wurden (bzw. das Größte verkleinert wurde) – also wie es bei einem Print der Fall wäre.
Tamron AF 17-50mm
Betrachtet man sich diese Ausschnittsvergrößerung, leuchtet ein, dass das Tamron-Weitwinkel-Zoom-Objektiv für den Nahbereich konzipiert ist. Details in der Ferne werden sehr unscharf und verwischt wiedergegeben. Die Stärke des Tamron liegt natürlich eher im Weitwinkel.
Nikon Nikkor Micro 60
Dem gegenüber bildet das Nikkor 60 diesen Bereich schon sehr viel besser ab – bei lediglich einem Zentimeter mehr Brennweite.
Das alte, analoge Zeiss Objektiv an der DSLR
Zwar hat das 30 Jahre alte, „billige“ analoge Objektiv eine etwas höhere Brennweite als die Nikkor-Optik für die DSLR. Der Unterschied bezüglich der Detailwiedergabe dürfte aber gewiss nicht nur auf diese zurück zu führen sein. Ein solches Objektiv wie bspw. das hier verwendete Zeiss Biometar für die Pentacon Six sollte man also noch lange nicht im Schrank verstauben lassen. Gerade die verhältnismäßig sehr günstig zu erwerbenden, äußerst guten Objektive alter Mittelformatkameras sollten auch einmal auf einer Digitalkamera benutzt werden.
Einschränkungen analoger Objektive auf einer DSLR
Benutzt man ein solches analoge Objektiv mit einem Adapter auf einer digitalen Spiegelreflexkamera, wird man in der Regel nur im manuellen Modus fotografieren können. Für schnelle Szenen sind diese Objektive an der Digitalkamera völlig ungeeignet. Es muss vielmehr die Blende direkt am Objektiv über den Drehring und die dazu korrekte Verschlusszeit an der Kamera eingestellt werden. Letztere wird man auch selbst mit einem Handbelichtungsmesser messen oder schätzen müssen (bzw. das Ergebnis dann auf dem Display überprüfen). Einige Digitalkameras können aber auch problemlos direkt durch das manuelle bzw. adaptierte Objektiv messen, wenn es nur abgeblendet ist.
Natürlich besitzt ein solch altes Objektiv auch keinen Autofokus. Der Objektivadapter würde einen solchen auch nicht mit der Kamera synchronisieren können. Außerdem wird man bei den meisten dieser Lösungen auch mit Arbeitsblende fotografieren müssen: Die Springblende wird ebenfalls nicht übertragen, was bedeutet, dass das Bild im Sucher umso dunkler wird, je mehr man abblendet. Fokussieren sollte man hier stets mit Offenblende und erst dann die Blende schließen.
Wofür eignet sich ein analoges Objektiv an einer modernen Digitalkamera?
Vornehmlich einsetzen lässt sich ein altes, analoges Objektiv auf der DSLR dort, wo man Zeit zum Fotografieren hat – also in der Portraitfotografie oder in der Landschaftsfotografie. Bei letzterer sollte man sich vielleicht auch nach einem analogen Weitwinkelobjektiv oder gar Fisheye umsehen, da eine „Normalbrennweite“ beim Kleinbild oder gar Mittelformat eine solche bei Digitalkameras nicht mehr darstellt, sondern hier schon als leichtes Tele fungiert (was gerade bei Portraits allerdings natürlich von Vorteil ist). Entsprechende Objektive sind auf dem Gebrauchtmarkt natürlich wesentlich günstiger zu erwerben als moderne. Über deren Abbildungsleitung, über die eigentliche Bildqualität sagt dies freilich nichts aus. Ich nutze aber auch alte, besonders schlechte Linsen an meiner Digitalkamera als Weichzeichner-Objektiv für Portraits. Lesen Sie evtl. auch meinen Artikel: Ein selbst gebautes Weichzeichner-Objektiv. Weiterhin nutze ich solch eine alte Festbrennweite als Repro-Objektiv an meiner DSLR. Es gibt hier nämlich keinerlei Verzeichnungen und Störungen wie chromatische Aberationen.
Hallo Thomas,
beim Stöbern fand ich diesen Beitrag. Ja, er ist älter, aber die Thematik ist aktueller denn je.
Zunächst einmal möchte ich anregen ihn zu aktualisieren bzw. neu zu schreiben. Gerade im Hinblick auf aktuelle digitale Kameras.
Die verwendete DSLR ist wirklich nicht mehr zeitgemäß.
Zum anderen sehe ich einige Fehler. Mir scheint dass der Fokus bei den einzelnen Fotos nicht so recht stimmte. Beim Zoom und beim Makroobjektiv erscheinen mir die vorderen Dächer schärfer als der Hintergrund. Der Fokus lag offensichtlich dort. Beim Zeiss liegt der Fokus weiter hinten. Das vordere Dach ist erkennbar außerhalb des Fokus.
Auch ist es in meinen Augen nicht stimmig ein (preisgünstiges) Zoomobjektiv bei der Endbrennweite zu verwenden und aus diesen Bildern dann noch Ausschnitte zu vergrößern. Das musste schiefgehen.
Aus meiner Erfahrung ist das verwendete Makroobjektiv eine der Perlen aus dem Nikonprogramm. Ich habe es als exzellent in Erinnerung. Es müsste bei richtiger Anwendung das Zeiss übertreffen.
Das Biometar sollte mit entsprechendem Adapter auf einer Kleinbildkamera gut als Shiftobjektiv zu gebrauchen sein. Die Verschiebewege sind dann riesig. Perfekt für Produktaufnahmen. Die erreichbare Qualität sollte mehr als ausreichend sein.
Allgemein würde ich aber von Mittelformatobjektiven auf Kameras mit kleinen Formaten abraten. Dafür wurden sie nicht berechnet; auch wenn es einige wenige Exoten gibt die selbst auf Kleinbild native zeitgenössische Kleinbildobjektive recht alt aussehen ließen. Das Biometar gehört nicht dazu. Heute sollte es – einige wenige – Objektive geben welche die entsprechenden Spitzenrechnungen von z.B. Zeiss und Mamiya fürs Mittelformat technisch übertreffen – mit AF und Springblende! Die Frage sei gestattet: braucht man das?
Hallo Frau Müller, ich müsste hier auf der Seite noch mehr Beiträge überarbeiten oder gar löschen. Damals war ich überrascht, dass die alten Objektive an den Digitalkameras überhaupt gute Ergebnisse bringen und ich war armer Student. Heute nutze ich immer noch gerne die alten Ai-Nikkore (u. a. das Shift) auf der DSLR. Aber ansonsten einfach ein Standard-Zoom. Bei den Bildvergleichen hier hatte ich ja auch unterschiedliche Brennweiten, das müsste man anders aufziehen.