Kratzer auf dem Objektiv: Und es geht doch
Ich besitze ein sehr zerkratztes Objektiv, ein „Zeiss Flektogon“. Dummerweise hatte mich der Verkäufer nur dezent auf die vielen Kratzer auf der Linse hingewiesen. Jedoch üben sich diese gar nicht auf die Bilder aus.
Zunächst hatte ich mich sehr darüber geärgert: Per Ebay hatte ich ein altes Carl Zeiss Jena Flektogon 50 mm 1:4 ersteigert, zu einem recht günstigen Preis. Allerdings ist das Objektiv doch sehr beschädigt: Deutlich sind tiefe Kratzer auf der Frontlinse vorhanden. Eine Rückgabe war – da Ebay – leider ausgeschlossen. Immerhin ist der Verkäufer im Nachhinein etwas mit dem Preis runter gegangen.
Nun saß ich also auf dem zerkratzten Objektiv. Ich probierte es dennoch aus und verglich dessen Abbildungsleistung mit einem technisch einwandfreien Flektogon, welches ich mir von einem Freund auslieh: Es waren keine Unterschiede in der Bildleistung feststellbar, trotz der auffälligen Kratzer!
Das schaut aus, als hätte hier Jemand einen Schraubendreher auf die Frontlinse aufgesetzt und mit einem Hammer hinten drauf gehauen. Zunächst denkt man bei diesem Anblick: Das wird nichts mehr mit diesem schönen Objektiv, doch hier kann man durchaus irren.
Denn erstaunlicherweise scheinen sich solche zerkratzten Frontlinsen gar nicht auf das Bildergebnis auszuwirken. Mein Vergleich (mit dem intakten Objektiv gleicher Bauart) bestand im Abfotografieren von mehreren Zeitung, die auf dem Boden lagen. Die Schärfe und der Kontrast waren bei beiden Objektiven gleich. Ich nutze das Zeiss Flektogon erfolgreich an meiner analogen Pentacon Six und Kiev 60. Außerdem kann ich es an meine Nikon-Digitalkamera adaptieren.
Hier sind zwei Beispielbilder, welche ich mit genau diesem zerkratzten Objektiv aufgenommen hatte (mit meiner analogen Mittelformatkamera):
Alle Fotografien sind knackscharf. Glück gehabt. Stoße ich in Zukunft bei Ebay auf ein Objektiv, welches durch entsprechende Kratzer stark im Preis gedrückt werden sollte, werde ich über einen Kauf durchaus nachdenken.
Kratzer können selbstverständlich nicht direkt abgebildet werden, dazu müsste das Objektiv eine Naheinstellung von ~0 Metern besitzen, um auf die zerkratzte Frontlinse fokussieren zu können (Thema beendet). Kratzer machen sich jedoch sehr wohl indirekt in einer Verschlechterung der Abbildungsleistung bemerkbar, denn sie sind nichts anderes als Beugungsgitter (bzw. Beugungslinien), die das Licht streuen, das dann nicht mehr im Brennpunkt (Film, Sensor) vereinigt wird. Der Effekt ist auch deutlich mittels MFT nachweisbar. Das Ergebnis sind ein verminderter Kontrast und Beugungssterne, ähnlich den absichtlich zur Verfremdung eingesetzten Effektfiltern (wer’s mag). Natürlich kann man den Unterschied zwischen einem zerkratzten und einem intakten Objektiv nicht an Hand von Fotos in Postkartengröße erkennen, dafür braucht es jedoch auch kein qualitativ hochwertiges Objektiv.