Expose to the Right: Lange belichten und nach Links entwickeln
In diesem Beitrag möchte ich eine alte Fotografenregel näher erklären, welche mit dem Spruch „Expose to the right / Develope to the left“ („ETTR“) seit einigen Jahren auch in der Digitalfotografie an Bedeutung gewonnen hat. Es geht darum, dem Sensor sehr viel Licht zu gönnen, um Bildrauschen zu vermeiden und um maximale Schattenzeichnung zu erhalten.
Ich fotografiere durchaus noch sehr viel mit Film – also analog. Hier belichtet man am besten so, dass man diesem Film sehr viel Licht gibt: Man belichtet auf die Schatten (dunkelste Stellen im Bild). Man stelle sich diesen Film (oder einen Sensor) einfach wie einen Schwamm vor: Er ist in der Lage, sehr viel (Licht) aufzusaugen. Irgendwann wird er voll sein und diesem Punkt sollte sich dicht angenähert werden, ohne ihn jedoch zu überschreiten. Je mehr „ISO“ solche Filme haben, desto höher ist dabei ihr „Fassunsvermögen“ bzw. ihr Kontrastumfang. ISO 25-Filme besitzen demgegenüber nur einen relativ geringen Kontrastumfang. Dies aber nur am Rande.
Was hat dies mit der Regel „Expose to the right. Develope to the left“ zu tun? Sie wird zunächst in der analogen Fotografie angewendet, indem eben sehr großzügig belichtet wird und später beim Entwickeln des Filmes (daher stammt ja dieser Spruch überhaupt) eher kurz entwickelt wird. Auf diese Weise erlangt man eine perfekte Schattenzeichnung (lange Belichtung) aber noch keine „ausgefressene“ Lichter (kurze Entwicklung).
Bei der Digitalfotografie benötigt man für die Regel „Expose to the right / Develope to the left“ (Abkürzung „ETTR“)
- die Histogramm-Funktion der Digitalkamera sowie
- einen RAW-Konverter (ein Programm für den Computer).
Die Fotografien werden stets im „RAW-Modus“ aufgenommen (nicht etwa im JPG-Format!). Für ETTR muss also an der DSLR / Digitalkamera eingestellt werden, dass die Bilder im RAW-Format fotografiert werden.
Nach rechts belichten
Nach der Aufnahme schaut man sich auf dem Display der Digitalkamera das Histogramm an:
Man sieht nun eine Kurve. Diese befindet sich bei meinem Beispiel ziemlich in der Mitte. Rechts ist jedoch noch Platz! Es empfiehlt sich nun (da ja noch „Platz“ ist) diese Kurve nach rechts zu verschieben! Wir kommen also dem Spruch „Expose to the right“ nach, welcher ja nun übersetzt bedeutet: „Belichte nach rechts“. Und dieses „Rechts“ meint die rechte Seite des Histogramms.
Sie müssen nun also für die ETTR-Technik manuell entweder die Belichtungszeit verlängern, die Blende öffnen oder den ISO-Wert Ihrer Digitalkamera erhöhen, damit diese Kurve nach rechts wandert. Für qualitativ hochwertige Fotografien nutzt man natürlich ein Stativ, sodass man die sinnvollste Variante wählen kann, um „nach rechts belichten“ zu können: Wir verlängern die Belichtungszeit:
Ich verlängerte bei diesem simplen Beispiel die Belichtungszeit um den doppelten Wert. Und ganz im Sinne von „Expose to the right“ befindet sich die Kurve nun ein ganzes Stückchen mehr rechts des Histogramms.
Es ist hierbei wichtig, dass der Dynamikumfang der Kamera (die „Länge“ des Histogramms) gerade so noch nicht ausgenutzt wird! Es sollte sich ganz rechts immer noch ein kleines Stückchen „Freiraum“ im Histogramm befinden – wie bei meinem Beispielbild.
Nach links entwickeln
Nun wird das aufgenomme RAW-Foto in einem RAW-Konverter geöffnet. Ich nutze Photoshop, dieses Bildbearbeitungsprogramm besitzt einen eingebauten RAW-Konverter, welcher sich automatisch öffnet, wenn man damit eine RAW-Datei öffnen möchte:
Betrachten Sie nun den Regler „Belichtung„: Ich schiebe diesen in den negativen Bereich, sodass sich die Kurve, welche oben angezeigt wird, wieder nach links bewegt. Ich entwickle also nach links!
Dies ist der zweite Schritt der Regel „Expose to the right. Develope to the left“. „Develope“ meint ja übersetzt „entwickeln“. Bei meinem Bildbeispiel stelle ich wieder den „Normalzustand“ dar, welcher auch im ersten Bild oben bei der Kamera-Histogramm-Ansicht zu sehen ist. Was dieses Hinundher nun bringt, erkläre ich gleich.
Denken Sie noch einmal an meine analogen Filme, von denen ich oben sprach: Ich belichte diese reichlich (wie bei der Digitalkamera), entwickele diese in der Fotochemie aber recht kurz. Würde ich die Filme „normal lang“ entwickeln, so würde ich die Kurve nicht nach links „verschieben“. Dummerweise hat man natürlich bei der analogen Fotografie kein Histogramm zur Verfügung. Daher entwickelte der Fotograf Ansel Adams seinerzeit das sogenannte Zonensystem, welches sehr große Ähnlichkeit mit der ETTR-Regel besitzt. Beim Zonensystem wird jedoch mit einem Spotbelichtungsmesser gearbeitet und mit zuvor penibel ausgetesteten Entwicklungszeiten für ganz bestimmtes Film- und Fotopapiermaterial. Dies brauchen wir heute wahrlich nicht mehr – erst recht nicht bei der digitalen Fotografie.
Welchen Vorteil bringt dies alles?
Durch das Verschieben der Kurve des Histogramms an das rechte Maximum bzw. durch das Ausloten des gesamt möglichen Dynmikumfanges der Digitalkamera ergeben sich zwei Vorteile:
- Es wird die mit einer einzigen Aufnahme maximal möglichen Schattenzeichnung realisiert.
- Es ergibt sich eine Reduzierung des Bildrauschens in den dunklen Passagen der Fotografie.
Expose to the right / Develope to the left bringt also nur für die dunkleren Bildbereiche einen Vorteil. Bei meinem Beispielbild hatte ich jedoch einfach nur ein weißes Bettlaken fotografiert. Sie können sich dieses auch als Schneelandschaft vorstellen. Bei einem solchen Motiv benötigt man die Regel überhaupt nicht.
Doch fotografieren Sie einmal einen Kohlenkeller. Bei einem solchen Motiv wird die Sache schon ganz anders aussehen: Hier gibt es eine Vielzahl an Schatten (dunkle Stellen), welche nur durch eine großzügige Belichtung ausreichend Schattenzeichnung erlangen werden. Bei einem solchen Beispielbild würde ich tatsächlich sehr reichhaltig belichten (expose to the right) und dann im RAW-Konverter die hierbei nun grau gewordenen Kohlen wieder nach links ins Schwarze schieben (develope to the left). Sie (die Kohlen) werden weiterhin eine maximal mögliche Zeichnung besitzen (sie werden dreidimensional wirken) und sie werden ein verringertes Grundrauschen besitzen, welches natürlich nur bei größeren Drucken oder bei höheren ISO-Werten sichtbar sein wird – und freilich für jeden Enthusiasten relevant ist.
Ich selbst fotografiere zumeist mit Stativ und mitunter mit mechanischen Kameras und viel Zeit. Ich bin also so einen Aufwand gewohnt. Die ETTR-Regel wird sicherlich nichts für Sie sein, wenn Sie sehr schnell fotografieren. Im Grunde eignet sie sich primär für die Landschafts- und Architekturfotografie – also für Metiers, für welche man ohnehin eine gewisse Zeit zum Fotografieren mitbringen sollte.
Der ganze Aufwand, erst nach rechts um im Konverter alles wieder nach links zu ziehen.
Was ist mit dem Hinweis, das Zonen-Fotografie im Film immer noch Standard ist!
Der Film hat einen Blendenumfang der bekannt ist.
Das Set wird ausgeleuchtet, innerhalb eine bekannten Breite darf sogar das Licht heller oder dunkler werden! Dafür wird ja auch das Gesicht ausgemessen.
Die Meter Film per Lightroom „runter ziehen“ …
Nebenbei, jede digitale Cam mit „Dynamic-range“ macht es sogar fertig in jedem JPEG ab Auslösen!
Hat man auf die Lichter korrekt belichtet, geht auch da nicht verloren.
Das es primär für Landschaft und Architektur geeignet ist, sollte man am Anfang deutlich sagen.
LG
Herzlichen Dank für diese sehr verständliche Erklärung und das Teilen eigenen Wissens!
schöne Grüße
Claudia
Gerne. Vielen Dank für den Kommentar!
Eine sehr gute Erklährung zum Verständnis von Expose to the Right.
Ich habe es selber versucht, es benötigt anfangs etwas mehr Zeit, aber es funktioniert
sehr gut. Das zwar minimale Rauschen beim Aufhellen dunkler Partien ist mit dieser Methode
nicht mmehr vorhanden.
Ich bin immer froh wenn ich von klugen Leuten etwas dazulernen kann
MfG.
Rainer S.
Hallo Rainer, vielen Dank!
Ach so, vergessen: ein Lob an den Verfasser für die gemachte Mühe, das ist ja schließlich nicht selbstverständlich. Ich hoffe, die Freude vergeht nicht durch zu kritische Leser!
Immer diese Rumnörgelei! Der Verfasser hat sich doch wirklich genügend Mühe gegeben, den Sachverhalt zu beschreiben. Und das ist ihm auch gelungen, ich habe es jedenfalls verstanden. Sie, Manfred, etwa nicht? Überzeugen Sie sich selbst mit einem Versuch, ob es funktioniert, sind Sie etwa sogar dafür zu faul?
Dies hätten Sie durchaus besser machen können. Ihr Artikel beschreibt ein rein künstliches Setting und ermangelt einer realistischen situativen Anwendung des Beschriebenen. Halten Sie es nicht für notwendig einmal „im Feld“ zu demonstrieren?
MFG
Manfred R.