Graukarte ist nicht gleich Graukarte: So werden Sie hinters Licht geführt
Für Stillleben, für die Produktfotografie, für die Belichtungsmessung, für einen exakten Farbabgleich: Die Graukarte kann hier einem treuer Freund sein. Dachte ich auch immer. Bis ich einmal mehrere Graukarten verglichen hatte. Die Ergebnisse waren stets andere.
Nimm doch eine Graukarte und so kannst Du exakt belichten und einen präzisen Weißabgleich machen! Denkste. So einfach funktioniert das nicht. Solch eine Karte müsste – genau so wie ein Thermometer – geeicht- oder zumindest kalibriert sein, damit man sich auf die Messergebnisse verlassen kann. Vermutlich werden die Grau- und Farbkarten, die erstaunlicherweise ab ca. 40 Euro aufwärts verkauft werden, eine gewisse zufrieden stellende Qualität besitzen. Jetzt weiß ich auch, warum diese so teuer sind: Alle meine „Günstig-Graukarten“ zeigen auffallend unterschiedliche Werte an: Nicht alle reflektieren das darauf einfallende Licht zu 18 Prozent zurück (zur Kamera). Noch sind sie tatsächlich grau (also farblos). Sie besitzen fast alle einen nennenswerten Farbton. Ganz unten in diesem Artikel schlage ich Ihnen ein sehr günstiges Alternativmaterial für einen guten Weißabgleich vor.
Nachtrag: Nach langen Vergleichen auch außerhalb der einfachen, in diesem Beitrag dargestellten Tests u. a. auch mit Weißkarten und Schwarzkarten bin ich zu dem eher nüchternen Ergebnis gekommen: Wenn man sich bei z. B. Amazon ein günstiges Graukarten-Set für 10 Euro kauft, dann kann man auch gleich in den Bastelladen gehen und sich weißen, grauen und schwarzen Karton kaufen. Vielleicht hat man mit manchen China-Produkten Glück. Ich hatte es mit mehreren nicht. Alle zeigten unter identischen Aufnahmebedingungen unterschiedliche RGB-Werte an.
Ich hatte dann also nach einigen Fehlkäufen doch tiefer in die Tasche gegriffen und mir diese Farbkarte bzw. Graukarte aus stabilem Kunststoff eines renommierten Herstellers im Bereich Farbkalibrierung und Weißabgleich gekauft: Den Spyder Checkr von Datacolor.
Bisher hatte ich oft Glück mit den günstigen China-Alternativen im Bereich Fotografie (Stative, Blitzauslöser, Blitzgeräte). Bei Farb- bzw. Graukarten erwies sich jedoch der alte Spruch als richtig: Ich kaufte billig, also zweimal. Denn solche „Targets“ müssen vom Hersteller streng kontrolliert sein. All zu schnell schleicht sich bei der Produktion ein mit bloßem Auge kaum wahrnehmbarer Farbstich ein – mit unschönen Folgen dann in der eigenen Postproduktion. Gewiss: Wer Landschaften fotografiert oder ohnehin gewisse Looks in der Bildbearbeitung verwendet, der benötigt solche Referenzkarten bei der Aufnahme nicht. Ich selbst fertige jedoch häufig Produktfotografien an oder mache Repros von Kunstwerken. Hier möchte ich eine möglichst realistische, verbindliche Farbwiedergabe erhalten (die sehe ich daheim natürlich nur, wenn ich meinen Monitor kalibriert habe).
Nun aber zu meinem anfänglichen Vergleich mit den „Billig-Graukarten“:
Direkter Vergleich mehrerer Graukarten
Jetzt wollte ich es doch einmal wissen und habe alle meine „Neutralgrau-“ Graukarten, die sich in der letzten Zeit so angesammelt haben, unter den selben Bedingungen fotografiert. Die Bedingungen hierzu lieste ich gleich im Anschluss auf. Man sieht bereits mit bloßem Auge, dass das Grau und vielmehr die Eigenhelligkeit der jeweiligen Karten häufig je anders ist:
Bei jeder der Karten hatte ich im Anschluss in Photoshop mittels der Pipette den RGB-Wert abgelesen. Diesen hatte ich dann auf dem Foto der jeweiligen Karte vermerkt. Nie ist er tatsächlich für jeden Kanal (R G B = Rot Grün Blau) gleich. Rein theoretisch sind sie also nicht neutralgrau.
Ein tatsächlich gleicher RGB-Wert (z. B. „150 150 150“) ist allerdings in der Praxis schlecht messbar bzw. darstellbar.
Dies ist eine Farbkarte zum Kalibrieren der Digitalkamera. Ich habe deren zwei. Auffallend sind hier die Unterschiede zwischen den beiden gleichen! Beachten Sie auch den dunkleren Grünton. Es ist ein günstiges Modell: Zwei gleiche Produkte dieses Herstellers sind bei mir keinesfalls identisch. Einen Weißabgleich kann man hier nur mittels den weißen Feldern machen (diese sind tatsächlich fast farblos). Die grauen Felder sind, man sieht es ja anhand der RGB-Werte, nicht farb-neutral. Nachdem ich ja jetzt meinen „Spyder Checkr 24“ habe (siehe oben im Artikel), habe ich diese günstigen (mit Druckraster!) Karten schnell beiseite gelegt. Aber immerhin waren diese 2-1-Farbkarten bzw. deren weißes Feld noch am besten von allen getesteten Günstigkarten zu gebrauchen. Auch die damit mögliche Kamerakalibrierung lieferte bessere visuelle Ergebnisse als ohne.
Auch bei dieser Karte (Rückseite der 24-Feld-Farbkarte) ist das weiße Feld tatsächlich nahezu farblos. So soll es sein. Aber das graue Feld hat einen Farbton leicht in Richtung Rot.
Ein einfaches Blatt Druckerpapier
Ich wollte es doch einmal wissen und fotografierte auch ein simples weißes Blatt Druckerpapier:
Es hat offenbar einen leichten Blaustich, aber eben nur einen leichten. Die Eigenhelligkeit ist heller als bei den Karten, die auch je ein weißes Feld haben. Doch Obacht: Hier könnten auch optische Aufheller mit im Spiel sein. Für einen simplen Weißabgleich im RAW-Konverter oder gleich bei der Aufnahme mit der Digitalkamera bietet so ein simples Blatt Papier hier keinen Nachteil gegenüber speziellen Graukarten. Zumindest trifft dies auf die billigen zu, die ich bisher nutzte.
Mein Testaufbau
Folgende Dinge hatte ich zunächst eingerichtet, um meine unterschiedlichen Graukarten miteinander zu vergleichen:
- Als Lichtquelle diente ein entfesseltes Blitzgerät, welches ich oben, fast unter der Zimmerdecke auf einem Stativ positionierte. Der Blitzkopf war auf die Karten ausgerichtet und zwar in einem Winkel von ca. 45°. Somit gab es keine direkten Reflexionen. Die Entfernung Blitzgerät-Objekt betrug ca. 2,5 Meter. Durch die recht große Entfernung zur Lichtquelle gibt es keinen deutlichen Lichtabfall.
- Die Kamera war natürlich stets auf manuell eingestellt: Blende, Belichtungszeit und ISO-Wert waren immer gleich (f/5.6; 1/180 Sekunde; 200 ISO). Der Weißabgleich an meiner Nikon war auf „Blitz“ gesetzt.
- Im Adobe Kamera-RAW korrigierte ich den Weißabgleich einheitlich für alle Bilder auf „Blitzlicht“. Denn die Werte dort unterscheiden sich etwas von den Nikon-Werten (Farbtemperatur / Farbton) – Farbtemperatur im RAW-Konverter: 5500 Kelvin; Farbton: 0
- Die Stärke der Beleuchtung hatte ich mittels einem Blitzbelichtungsmesser gemessen bzw. eingestellt:
Mittels der Messung mit solch einer weißen Kalotte kann exakt genau die nötige Lichtstärke ermittelt werden, die ein Blitzgerät abgeben muss. Dieser Belichtungswert war meine Referenz, was die Helligkeit anbelangt. Hier vertraue ich jetzt einmal auf den Blitzbelichtungsmesser der Firma Gossen. Die Belichtung der Graukarten erfolgte also eben nicht auf sie sondern mittels einem externen Handbelichtungsmesser via Lichtmessung bzw. Kalotte.
- Ich weiß, dass Objektive vignettieren. Daher stellte ich das Zoom-Objektiv so ein, dass noch genügend Rand um die Karten abgebildet wurde. Die Graukarte befindet sich stets im Zentrum des Bildes. Aus diesem Grund konnte ich auch nicht alle Karten zusammen auf einem Foto aufnehmen.
- Alle Karten wurden bisher immer dunkel aufbewahrt. Sie bleichen ja bei starkem Licheinfall aus. Solche Referenzkarten sollte man nur bei absoluter Dunkelheit lagern (im Fotokoffer, in Taschen).
Bei dieser Farb- bzw. Graukarte (Rückseite) können Sie zunächst sicher sein, dass sie tatsächlich farblose (und geprüfte) Felder anzeigt (im Gegensatz zu den günstigen Alternativen). Weiterhin können Sie damit Ihre Kamera, Ihren Scanner, Ihre Videokamera auf exakte bzw. realistische Farbwiedergabe kalibrieren und ersparen sich somit mühsames händisches Ausfiltern in der Bildbearbeitung.
Testergebnisse
Da eine Graukarte für zweierlei Dinge nutzbar sein soll (Weißabgleich und Belichtungsmessung) gliedere ich meine Ergebnisse (bzw. die Schlussfolgerungen) in zwei Punkte:
Weißabgleich und Neutralgrau
Ich würde eine Graukarte nun nicht mehr zum Weißabgleich einsetzen. Zumindest betrifft es die günstigen Modelle, die ich besitze. Offenbar ist es technisch schwierig, dass ein solches Produkt tatsächlich neutralgrau (d. h. es besitzt keine Eigenfarbe) herzustellen ist. Hellere Karten („Weißkarte“) sind offenbar viel einfacher tatsächlich nahezu neutral in der Farbe herzustellen. Ich habe eine kleine checkkartengroße Graukarte im Test, die ich mal im Dreierpack (Weiß-, Schwarz- und Graukarte) bei Amazon bestellte. Dieses Billigteil ist (meiner Messung nach) tatsächlich fast farblos. Jedoch: Es kann gut sein, dass dies bei der nächsten Marge dieses Produktes eben nicht mehr so sein kann. Den Unterschied zwischen verschiedenen Margen sieht man ja auch sehr gut bei den beiden zunächst gleichen Farbkarten, die ich auch fotografiert hatte: Sie unterscheiden sich.
Einen guten Weißabgleich kann man genau so gut mit einem simplen A4-Blatt Druckerpapier machen.
18% Lichtreflexion bzw. Belichtungsmessung und der dazugehörige RGB-Wert
So eine Neutralgraukarte eignet sich natürlich auch sehr gut für eine exakte Belichtungsmessung – Möchte man meinen. Dem ist aber garantiert nicht so. Alle Karten, die ich verwende, reflektieren das einfallende Licht anders bzw. absorbieren es anders. Dies widerspricht den Versprechungen der Hersteller.
Messen von an einer Graukarte reflektiertem Licht.
Ich hatte mir RGB-Werte zurecht gelegt: Eine zur Belichtungsmessung funktionierende Graukarte sollte dann (wenn man sie denn besitzt) auf dem Foto einen RGB-Wert von ca. 150 150 150 besitzen. Dies sollte das mittlere Grau sein, also ein zu 18% reflektiertes Licht. Aber: dies ist schon wieder je nach verwendetem Farbraum (sRGB, Adobe RGB, Prophoto, …) anders.
Ich hatte den Test mit den RGB-Werten noch einmal wiederholt und zwar mit einer Zangenbelichtung (zwei Blitzgeräte links / rechts; je schräg positioniert). Diesmal hatte ich polarisiertes Licht eingesetzt bzw. auf dem Objektiv einen Polfilter verwendet (dadurch habe ich keinerlei direkte Lichtreflexionen im Bild). Wieder wurde rein nach Blitzbelichtungsmesser belichtet. Nun ergeben sich schon wieder andere RGB-Werte für meine Graukarte: ca. 130 130 130. Es ist wahrlich verwirrend. Offenbar hängt dies immer von der jeweils verwendeten Lichtart (diffus, gerichtet, …) ab und kann nicht konkret bestimmt werden!
Ein freundlicher Leser hat mir im Kommentarbereich die Empfehlung hinterlassen, dass im LAB-Farbraum ein Wert von L50 ein mittleres Grau ergeben würde.
Im Moment denke ich, dass das Thema Graukarte bzw. Neutralgraukarte oder gar Farbkarte viel komplizierter ist, als man zunächst vielleicht annehmen mag.Gut: Für normale Fotografien ist dies natürlich einerlei. Für farbechte (reproduzierbare) Produktfotografien lohnt es sich jedoch, hier einmal genauer nachzudenken.
Tipp: Kabelkanal als Alternative für den Weißabgleich
Zum Schluss sei noch ein Tipp beigefügt: Ich hatte mich einmal im Haushalt nach diversen Materialien umgesehen, die „vorgeben“ weiß bzw. farblos zu sein. Als Referenz nutze ich die Datacolor Farbkarte mit dem weißen Feld, von dem ich – ob eines Preises von immerhin ca. 45 € – annehme, dass dieses tatsächlich auch farblos ist. Beides verglich ich je – fast erfolglos. Bei einem Material wurde ich dann tatsächlich fündig:
Manche Kabelkanäle, die im Baumarkt als „reinweiß“ verkauft werden, sind tatsächlich nahezu farblos. Dies gilt aber nur für diejenigen, die im Dunkeln gelagert wurden. Lagern sie lange am Licht, verfärben sie sich (wie sicherlich die meisten Materialien).
Das bedeutet für mich: Ich habe nun endlich ein Material gefunden, welches sehr günstig in jeder Stadt erhältlich ist und welches sich sehr gut für einen präzisen Weißabgleich nutzen lässt, um die Farben bei einer Produktfotografie möglichst natürlich abbilden zu können. Die als „Weißkarten“ oder „Graukarten“ günstigen Modelle von Amazon waren hierfür ja fast alle nicht geeignet.
Die Kabelkanäle, die ich auf ihre (nicht vorhandenen) Eigenfarbe getestet- bzw. mit der Datacolor-Karte verglichen hatte, hatte ich im Obi-Baumarkt gekauft. Der breite trägt die Produktnummer „391588“ (Es steht keine Firma drauf). Der schmale ist von der Firma „OBO“ („WDK 15015 reinweiss“).
Sie können das obige Bild in eine Bildbearbeitung laden und mit der Messpipette selbst das weiße Feld der Datacolor-Karte mit dem Weiß der Kabelkanäle überprüfen: Beides sollte nahezu je drei gleiche RGB-Werte ausgeben (die Helligkeit ist natürlich je eine andere). Auf einem profilierten („kalibrierten“) Monitor sollte dies auch so aussehen, wobei unsere Augen zwischen einem reinen Weiß und „nicht ganz Weiß“ kaum einen Unterschied sehen können. Aber einen nebeneinander stehenden Vergleich sieht man – zum Beispiel bei Serien. Hier ist eine Referenzkarte oder eben solch eine Alternative dazu, auf die man sich verlassen- bzw. auf die man einen Weißabgleich machen kann, sehr wichtig. Man kann nun ein Stückchen des Kabelkanals in einer Produktfotografie platzieren und nach dem Abgleich heraus retuschieren. Man kann auch rechts, links, oben, unten je eines platzieren (diese Alternative kostet ja kaum etwas), um später einen Lichtabfall (oder gar Farbverlauf) anhand der Pipettenwerte in der Bildbearbeitung zu korrigieren.
Solch ein Kolorimeter zum Kalibrieren eines jeden Monitors (auch Laptop) ist Voraussetzung dafür, wenn man bei der Bildbearbeitung einen neutralen Farb- und Helligkeitseindruck haben möchte bzw. wenn spätere Drucke (und Web-Ansichten) genau so aussehen sollen, wie man sie vorher am eigenen Computerbildschirm wahr genommen- bzw. eingestellt hat.
Ich habe mir den Deckel in handliche Stücke zugeschnitten und verwahre diese kleinen reinweißen Karten nun lichtgeschützt (!) im Fotokoffer auf. Es gibt ja auch sehr breite Kabelkanäle. Deren Deckel dürfte dann als zugeschnittene Weißkarte auch für Fotografien bei geringerem Abbildungsmaßstab geeignet sein (klein im Bild bei größeren Arrangements).
| im Obi-Baumarkt gekauft. Der breite hat die Artikelnummer „391588“
Ich bin an deiner Ersatzlösung interssiert und habe auf obi.de nach dem Kabelkanal gesucht. Unter der genannten Artikelnummer finde ich dort nichts Passendes. Da ich bei Obi nur siebenstellige Artikelnummern gefunden habe, nehme ich an, dass sich in die von dir genannte Nummer ein Fehler eingeschlichen hat. Magst du das noch einmal prüfen und ggf. korrigieren?
Danke für den Hinweis: Ich glaube, bei der Nummer handelte es sich um eine rückseitig aufgedruckte Produkt-Nummer, nicht um die Obi-Artikelnummer. Ich habe die Textpassage entsprechend geändert. Sucht man aber nach dieser Nummer „391588“ bei Google, erscheinen Obi-Kabelkanäle in der Trefferliste.