Fotografieren mit Bettlaken: eine riesen Softbox selbst gebaut
Je größer die Leuchtfläche, desto weicher ist das Licht. Je weiter entfernt die Leuchte, desto härter ist das Licht. Für manche Aufnahmesituationen muss man also den Aufwand sehr großer Softboxen bewerkstelligen. Hier zeige ich einmal, wie ich das Problem mit einem simplen weißen Leinen-Bettlaken gelöst habe.
Kennen Sie vielleicht Fotos von Werbeaufnahmen mit äußerst großen Lichtschirmen? Ich meine damit solche großen Lichtformer. Diese Softboxen oder Blitzschirme müssen immer dann eingesetzt werden, wenn Personen im Ganzkörperporträt fotografiert werden – Und zwar, wenn kein Raum mit hellen Wänden zum Aufhellen von Schatten vorhanden ist. Dies ist meist draußen der Fall.
Meine 110cm-Blitzschirme sind innerhalb von Räumen durchaus zu gebrauchen! Doch wenn die Aufhellwirkung der Wände nicht mehr nutzbar ist (ich spreche da von leidvoller Erfahrung abends bei Aufnahmen im Park), sind selbst Softboxen von einem Meter Höhe nicht mehr groß genug! Daher gibt es solche riesigen Parabolschirme bzw. Parabolreflektor von über zwei Meter Durchmesser zum Blitzen, die selbst ohne aufhellende Reflektoren ein weiches Licht auf eine zu fotografierende Person bewirken können.
Vorweg: In diesem Beitrag auf meinem kleinen Blitzblog soll es nicht direkt um dieses Szenario gehen. Ich besitze keinen riesigen „Parabolshirm“ und ich habe auch nicht vor damit zu arbeiten. Hier soll es jedoch darum gehen, mit einem simplen Bettlaken und mit dem Heimlichtset ein ähnlich voluminöses Licht zu zaubern:
So eine Hinterhofszene: Mülltonnen statt Florida, zwei alte Blitzgeräte von Ebay statt funkelndes Equipment. Aber so sieht es hier aus und so funktionierte es: Durch das Spannen eines simplen Bettlakens vor ein Fenster und durch das Positionieren zweier meiner treuen Metz-Blitzgeräte dahinter (wenn Sie mit der ISO hochgehen, reicht auch ein entfesseltes Blitzgerät) erhielt ich mein schönes voluminöses Licht, welches ich für mein Interieurporträt einer kleinen Fahrradwerkstatt benötigte:
Man sieht sogar das Bettlaken im Bild. Aber wenn man nicht weiß, was das ist, dann stört es auch nicht. Die beiden Blitzgeräte dahinter löste ich durch mein Yongnuo-Funkauslöser-Set aus dem Innern der Werkstatt aus. Zusätzlich bedurfte es jedoch noch eines kleinen Aufhellblitzes aus Richtung Kamera: Am Boden lag noch ein drittes Blitzgerät, welches (mit reduzierter Leistung) gegen die einzige schmale weiße Wand rechts (nicht mehr zu sehen) blitzte, und somit den Lichtabfall der beiden Hauptblitze im Raum kompensierte. Hätte es hier kein großes Fenster in Parterre gegeben und wäre die kleine Werkstatt größer, dann hätte man das Bettlaken auch auf zwei Lampenstative spannen können.
Fertig ist diese sehr schöne und sachliche Interieuraufnahme! Es wurde durch das große Bettlaken ein weiches Fensterlicht simuliert! Dieses Fote wäre jederzeit wiederholbar, auch bei Nacht. Natürlich hätte man hier auch das tatsächliche Fensterlicht für dieses Foto nutzen können (denn schließlich ist es [durch den Hinterhof bedingt“] weich genug). Doch dann hätte ich (ich musste der Schärfentiefe wegen stärker abblenden) um ca. drei Sekunden belichten müssen.
Tatsächlich ist fast das gesamte Licht im Raum bei der obigen Aufnahme künstlich:
So sieht der Raum aus, wenn die Blitzgeräte nicht zündeten. Von oben hellt noch leicht die Deckenbeleuchtung der Werkstatt einen Teil des Raumes auf. Von draußen gelangte so gar kein Licht in den Raum (auf das Bild). Das Gros des Lichtes (erstes Foto) kam nur durch das Bettlaken am Fenster bzw. durch die beiden alten Metz-Stabblitze, wenn Sie noch einmal „hochscrollen“ möchten.
Natürlich kann man das Bettlaken auch auf zwei Lampenstative spannen. „Spannen“ ist allerdings nicht ganz der richtige Begriff. Die Stative drohen umzukippen, wenn man sie zuweit auseinander stellen möchte. Das Laken muss also etwas durchhängen.
Ein solch einfaches Set aus Blitzschirm, Lampenstativ und Blitzhalterung bekommt man mittlerweile sehr günstig. Natürlich ist die Qualität nicht für den Dauereinsatz gedacht. Jedoch für einen Anfänger, der bestimmte Blitztechniken ausprobieren möchte, bringt solch ein Blitzschirm-Set auf Anhieb bessere Bilder.
Diese Konstruktion im Bild sieht freilich nicht sonderlich professionell aus. Zwei Lampenstative, ein Blitzstativ, ein Bettlaken und die Kamera passen aber gut in einen größeren Rucksack bzw. lassen sich leicht transportieren. Und natürlich kostet so eine Lichtausrüstung kaum etwas. Die damit erzielbaren Bildergebnisse bzw. das damit machbare Licht sind von sehr guter Qualität! Draußen bei Wind bring so ein Bettlaken jedoch nichts! Es würde wie ein Segel wirken.
Einen Nachteil hat die Lösung mit dem großen Baumwolltuch jedoch: Bei meinem Laken muss man einen Lichtverlust von ganzen drei Blenden in Kauf nehmen! Das heißt, die Lichtstärke wird auf 1/8 reduziert. Daher nutze ich bei dem Porträt in der Fahrradwerkstatt auch zwei meiner starken Metz-Stabblitzgeräte bzw. löse diese synchron aus. Ich nutze ja ein recht dickes Leinentuch. Sicherlich wird es dünnere Alternativen geben, die nicht so viel Licht schlucken, das harte Blitzlicht aber ebenso viel weicher machen.
Statt direkt hindurch, kann man aber auch gegen das Bettlaken bzw. indirekt blitzen. Bei Fotoaufnahmen auf diesem Dachboden setzte ich es als simple weiße Fläche ein. Denn hier gibt es einfach keine weißen Wände. Auf diese Weise kam ich auch mit nur einem einzigen Stativ aus (ich mag es minimalistisch).
Hier wollte ich eine Vitrine ausleuchten. Zwar gab es in dem Raum genügend große weiße Wände als Reflektoren. Diese bewirkten aber den „Gummiball-Effekt“: Das Licht des Blitzes sprang so im Raum herum, dass es sich immer ungünstig im Glas der Vitrine spiegelte. Durch gerichtetes, weiches Licht von der Seite bekam ich dies in den Griff. Zum Fotografieren aktivierte ich einfach den Selbstauslöser der Kamera, huschte schnell rüber zum Bettlaken und hielt den entfesselten Blitz mit etwas Abstand dahinter. So einfach kann das gehen.
Zusammenfassung
Sie sehen: Durch solch ein simples weißes Leinentuch verwandeln Sie das punktuelle Licht von einfachen Aufsteckblitzen in eine voluminöse Lichtfläche! Eine solche benötigen Sie auch, wenn Sie so eine Fotografie wie die meinige mit der Werkstatt anfertigen möchten. Sie brauchen nicht zwingend eine teure Ausrüstung! Der gesamte Raum ist durch die große Leuchtfläche des Bettlakens – trotz fehlender Aufheller – genügend weich ausgeleuchtet. Mein einfacher Blitzschirm wäre hier zu klein gewesen. Die hierzu nötige Ausstattung kostet kaum Geld und passt locker in einen größeren Rucksack zum Transport.
Die Idee mit dem Laken hatte ich aus dem deutschsprachigen Buch „Hot Shoes Diaries„.
Eines muss aber noch gesagt werden: Wie bei Blitzschirmen wird auch bei dieser Methode eine gewisse Lichtstreuung verursacht, welche eine Softbox durch ihre geschlossene Konstruktion und gar mit Wabenaufsatz verringert. Wenn Sie damit in einem kleineren weißen Raum fotografieren, werden Sie ggf. ein zu eindeutiges „Rundumlicht“ erhalten, was insbesondere für Portraits nicht so sinnvoll ist. Hier müssten Sie dann abschatten (mit zusätzlichen schwarzen Tüchern). Aber für solche Räume ist die Bettlakenlösung ja auch gar nicht nötig.
In meinem Fotostudio benutze ich für ganz weiches Licht entweder ein selbstgebautes Holzkreuz mit einem weißen Hintergrundkarton, den ich auf 2m X 1,2m zugeschnitten habe oder ein Durchlicht-Vlies – so ähnlich heisst es wohl – von Neewer. Ich spanne es ebenfalls auf ein selbstgebautes Kreuz.
Beide Kreuze habe ich mit Metallwinkeln auf Platten befestigt, die noch vom letzten Küchenbau übrig waren. Unter den Platten sind je vier Rollen, so lassen sich meine Reflektoren / Diffusoren bequem an die richtige Stelle schieben.
Ich bevorzuge übrigens ebenfalls die Yongnuo-Blitzgeräte, weil sie im Gegensatz zu Studio-Blitzgeräten leicht zu transportieren sind und im Studio kein Kabelwirwarr verursachen.
Genial einfach! Ich werde das einmal mit einem Tuch ausprobieren. Das Problem ist das Abspannen. Was aber auch wieder ein Vorteil sein kann, wenn man sehr kompakt on location sein möchte.
Tolle Infos übers Blitzen, ich photographiere gerne Gruppen (in Räumen) und nutze dabei das indireke Blitzen. Dummerweise habe ich zuhause eine dunkle Holzdecke bei der ich noch keine vernünftige Lösung habe, das mit dem Bettlacken werde ich mal testen.
Gruß Thomas
Hallo! Solche Decken kenne ich zu gut. Auch farbliche sind ein Problem (Holz ist ja meist auch gelblich / rötlich). Abhilfe schafft hier schon, wenn man das weiße Tuch direkt an die Decke pinnen- oder mit starkem Klebeband kleben kann. Dann kann man weiter indirekt (dagegen) blitzen, was ja etwas eleganter ist als eine Konstruktion mit drei Stativen. Nur muss man aufpassen, dass man den Lichtkegel nicht zu weit einstellt (Zoom) und damit wieder die Wand daneben trifft. Auch ein Klappreflektor leistet hier gute Dienste. Ansonsten geht es natürlich auch so, wie im Artikel beschrieben.
Grüße zurück!
Hallo,
ich kann die Methode mit dem Bettlaken nur bestätigen.
Genau dies haben wir bei einem Fotokurs auch gelernt und umgesetzt.
Toller Tip!
Gruß
Manfred