Ein Portrait mit Blitz und Diffusor: Junger Mann mit Filmprojektor
Das war gar nicht so schwer: Bei diesem Porträt wird mein Model zunächst von der Seite durch einen Diffusor angeblitzt. Als zweite Lichtquelle nutzten wir einen 16mm-Filmprojektor, welcher gleichzeitig auch Teil des Motivs ist.
Ein Freund von mir hat ein Faible für Film. Nun ist dies wahrlich nichts Besonderes. Doch er beschäftigt sich mit 8 mm und 16 mm Filmprojektoren, bei denen der Film über große Spulen läuft und als Projektion an eine Wand geworfen wird (ähnlich wie bei einem „Beamer“). Das Filmerlebnis ist bei einem solchen Projektor allerdings ein ganz anderes. So etwas muss man mal erlebt haben!
Natürlich wollte ich den Kumpel mal mit seinem Projektor porträtieren:
Bei diesem Porträt gibt es genau zwei Lichtquellen: Das Hauptlicht kommt von links. Die zweite Lichtquelle ist der Projektor (bzw. dessen Reflexionsfläche) selbst! Denn der Projektor erzeugt ja da hinten am Raum eine zweite, große Lichtquelle. Dieses weiche Licht wird im gesamten Raum gestreut und hellt diesen dezent auf. Den Grad dieser Aufhellung konnte ich ganz bewusst steuern! Doch hierzu gleich mehr.
Das Hauptlicht: Blitz und Diffusor
Zunächst soll es nämlich um das Hauptlicht, um das sogenannte Führungslicht gehen: Hierzu diente mir mein Yongnuo YN560 III, den ich von der Kamera entfesselte. Links befindet sich eine Tür zum nächsten Raum. Diese Tür hing ich aus und positionierte den Yongnuo auf einem Stativ mit Blickrichtung hin zum Modell im benachbarten Raum. Dies würde allein ein sehr hartes Licht ergeben, denn diese Lichtquelle ist ja in Relation zum Model sehr klein (bzw. punktuell). Das Licht des Blitzgerätes musste zunächst weicher gemacht werden. Dieses Problem löste ich einfach mit dem Innenteil meines 5-in-1-Reflektors: mit dem Diffusor! Den Diffusor spannte ich einfach in den Türrahmen. Sie sehen: Es kann so einfach gehen – Man benötigt für ein solches Portrait keine riesigen (und teuren) Studioblitze. Ein simpler Aufsteckblitz tut es ebenfalls! Das Schöne am Yongnuo ist auch, dass der Blitz einen Funkempfänger bereits eingebaut hat. Ein Blitzkabel (mit Wackelkontakt und als Stolperfalle) war hierbei nicht nötig
Der erste Teil des Licht-Setups war nun also schnell gelöst. Nun wurde es etwas komplizierter:
Das Aufhelllicht: Der Projektor
Das (Dauer-) Licht des Projektors soll ja eine ganz bestimmte Helligkeit auf dem Foto besitzen. Die Stärke des Umgebungslichtes steuert man beim Blitzen über die Belichtungszeit bzw. über die Verschlusszeit der Kamera – und zwar ohne das Führungslicht bzw. das Blitzlicht in dessen Stärke zu beeinflussen!
Bei diesem Porträt musste ich letztendlich mit einer Belichtungszeit von einer ganzen Sekunde fotografieren, damit sich das Licht des Projektors entsprechend stark auf dem Foto verwewigte. In der Praxis sah dies so aus: Innerhalb eines Sekundenbruchteils blitze der Blitz links durch den Diffusor. Mein Model war in diesem Moment nun bereits korrekt ausgeleuchtet. Der Verschluss der Kamera blieb aber noch offen (nämlich für eine ganze Sekunde) bis auch das Umgebungslicht / das Licht des Projektors genügend Bildinformationen auf den Chip / auf den Film schrieb. Es ist klar, dass ich mein Model zuvor anwies, sich keinesfalls innerhalb dieser einen Sekunde Belichtungszeit zu bewegen!
Einstellen der Stärke des Umgebungslichtes
Wie bin ich nun auf diese lange Belichtungszeit gekommen? Nun, man kann diese einfach mittels Trial & Error herausfinden, bzw. mehrere Testfotos anfertigen und sich diese dann auf dem Display der Digitalkamera ansehen oder (besser) das Histogramm der DSLR nutzen.
Ich hingegen nutzte für dieses Portrait eine analoge Mittelformatkamera. Bei einer analogen Kamera gibt es natürlich kein Display und auch kein Histogramm. Hier bediente ich mich beim sogenannten Zonensystem. Falls Sie dieses Thema interessiert, lesen Sie meinen Artikel Das Zonensystem beim Blitzen. Ansonsten arbeiten Sie besser mit dem Display der Digitalkamera – das geht schneller und ist auch effizienter.
Für wenig Geld bekommt man bereits ein sehr brauchbares Faltreflektor-Set mit dem Umfang von 110 cm. Den Innenteil (ein Diffusor) nutze ich bevorzugt als kompakte Alternative zu einer Softbox.
Fazit
Mir gefällt dieses Portrait sehr. Auf vielen Internetseiten und in fast allen Blitz-Büchern, sieht man immer übertrieben ausgeleuchtete, zumeist stark geschminkte und weibliche Models posieren. Das ist nicht mein Ding. Ich interessiere mich eher für sachliche Portraits, wie sie z. B. August Sander seinerzeit anfertigte. Schauen Sie sich auch mein Portrait von einem Freund in seiner privaten Videothek an. Auch bei diesem Foto blitze ich einfach durch den Diffusor hindurch. Unten bei uns im Haus gibt es einen Fahrradladen. Gerne würde ich einmal den Besitzer in seiner Werkstatt porträtieren, mit all dem Werkzeug rundherum. Das ist meine Definition von einem guten Porträt (kurzer Nachtrag: Das Foto in der Werkstatt hatte ich nun tatsächlich gemacht).
Es gibt bei meiner Genrefotografie mit dem Filmprojektor auch einen visuellen Trick: Es wird suggeriert, dass der Projektor selbst das Licht für das Model ausspuckt bzw. dieses erhellt. Das geht natürlich nicht, denn das Licht gelangt beim Projektor ja nur vorne durch das Objektiv heraus. Dennoch umgehe ich hierdurch das Problem des Gekünzelten: Man könnte vielleicht meinen, bei diesem Bild wurde überhaupt kein Blitz eingesetzt! Solche Fotografien haben immer eine ganz besonders starke Wirkung und Aussagekraft (auch wenn ich hier etwas nachgeholfen habe). Nur an dem Schatten oben rechts an der Decke erkennt man, dass hier mit zusätzlichem Kunstlicht geblitzt wurde.
Sehr informativ und die Idee mit dem Türrahmen finde ich genial. Ja kreativ muss man nicht nur beim Motivsuchen sein. Komplimet, toller Blog! Werde hier öfters reinschauen
Grüße aus Wien