Minimalistische Fotografie: Beispielfotos und Tipps
Weniger ist häufig mehr: In diesem Beitrag zeige ich viele Fotografien, deren Motive mit wenig auskommen. Diese Bilder wirken prägnanter als so manch aufwendige Kulisse. Dies liegt an ihrer Einfachheit. Ich demonstriere zudem, innerhalb welcher Themengebiete sich diese minimalistische Fotografie besonders gut eignet.
Es fällt mir heute schwer, in der Stadt Fotografien anzufertigen: Alles ist optisch überladen, von jeder Ecke schreit es her. Alles sieht gleich aus. Vor einigen Wochen hatte ich eine Zwei-Tage-Tour nach Berlin unternommen. Meine Kamera hatte ich gar nicht erst eingepackt. Wozu auch? Die Bilder, die ich dort gemacht hätte, hätte ich mir auch bereits vorher im Internet ansehen können.
Es gibt aber eine recht gute „Strategie“ gegenüber dem beliebigen Knipsen: Man muss die Augen aufhalten nach Motiven, die nur aus wenigen Teilen bestehen bzw. größere homogene Flächen aufweisen. Das ist jedoch nicht leicht. In städtischen Gebieten findet man so etwas höchstens am Sonntag auf dem Parkplatz eines Supermarktes oder auf dem Campus einer Hochschule. Viel häufiger kann man derlei minimalistische Fotografien im ländlichen Raum aufnehmen.
In diesem Foto-Blog-Beitrag liste ich einige Szenarien auf, mittels welcher sich recht gute minimalistische Fotografien bewerkstelligen lassen und natürlich zeige ich hierbei auch einige hübsche Beispielfotos. Los geht es:
Prägnante Hell-Dunkel-Kontraste
Die meisten Fotografien in diesem Beitrag sind S/W-Fotografien. Durch das Weglassen von Farbe, lässt sich ein gewisser Minimalismus innerhalb der Fotografie per se erreichen. Aber es gibt in diesem Artikel auch einige (wenige Farbfotos).
Das Licht bei dem oberen Bild mit den weißen Gartenstühlen war sehr diffus. Durch den natürlichen Motivkontrast (und durch eine bewusste Unterbelichtung um zwei Blenden sowie durch eine Kontrasterhöhung) kommt die wirkungsvolle Trennung zustande bzw. der visuell sehr zurückhaltende Hintergrund.
Auch bei diesem Foto fiel mir der weiße Gegenstand vor dem schwarzen Hintergrund auf. Eigentlich sieht man hier nur eine alte Tür als Gewicht für eine Plane auf Zuckerrüben. So minimalistisch, abstrakt und einfach diese Fotografie ist, so wirkungsvoll ist sie auch. Solche Motive entdecke ich bei Fahrradtouren übers Land.
Im Grunde ist dies die gleiche Fotografie wie die davor: Etwas Helles befindet sich auf / vor etwas Dunklem. Viel mehr ist bei diesem Bild nicht zu sehen. Dennoch funktioniert es. Es sind diese simplen Kontraste, die großen homogenen Flächen und das Nichtvorhandensein von störenden Elementen, die solche Bilder so interessant machen.
Bei diesem Foto schien die Sonne grell und hell. Solch ein Licht ist meist eher ungünstig, wenn man einen eher minimalistischen Stil bei seinen Fotografien anstrebt, weil es für viele unruhige Schattierungen sorgt. Aber diese schwarze Pfütze auf dem hellen Asphalt ist so dominant, dass der Hintergrund bei diesem Bild nicht ablenkt.
Fast alle Fotos in diesem Beitrag wurden übrigens mit einer analogen Kamera (meist auf S/W-Film) gemacht. Dieses Bild ist auch ein „Klassiker“ der minimalistischen Fotografie: Asphalt, Fahrbahnmarkierungen, weiße Wände. Wer sich für solche puristischen S/W-Fotografien begeistert, dem empfehle ich, sich einmal Bilder von Lewis Baltz anzusehen. Die damalige fotografische Bewegung hieß „New Topographic Movement“.
Wieder so ein kontrastreiches S/W-Foto: Fast weiß verkleidete Strohballen stehen innerhalb einer dunklen Umgebung. Erkennt man den Kontrast hierin und gibt es nichts Ablenkendes, kommt man recht einfach zu einer recht minimalistischen Fotografie, die ob ihrer Klarheit wirkt. Auch hier galt: Kein grelles Sonnenlicht sondern ein diffuses. Denn das Motiv besitzt bereits einen aussagekräftigen Kontrast, welcher in der Bildbearbeitung (hier in der Dunkelkammer) noch verstärkt wurde.
Hier fand ich bei einem Spaziergang ein kleines Gespenst in den Büschen. Der letzte Sturm musste es dahin geweht haben. Eine charmante, ganz einfach gemachte Fotografie ohne viel Aufwand. Es empfiehlt sich für solche Bilder, eine vernünftige Kompaktkamera bei Spaziergängen dabei zu haben. Ich nutze eine mit einer Festbrennweite (Normalbrennweite).
Diese junge Birke steht etwas verloren zwischen den dunklen Stämmen schräg herum. Auch hier gilt wieder: Etwas Helles innerhalb von etwas Dunklem.
Und ein letztes Foto nach diesem Schema. Um derlei Kontraste besser zu erkennen bzw. einzuschätzen, ob diese in einer S/W-Version gut zur Geltung kommen, kann man eine dunkle Sonnenbrille aufsetzen. Man sieht dann oft besser, ob es sich lohnt, ein Foto zu machen. Bei diesem Bild mit dem in eine weiße Plane gehülltem Boot wusste ich es aber auch so – zu offensichtlich war der Kontrast. Wichtig ist hierbei aber immer auch, dass es keine all zu ablenkenden anderen Elemente gibt. Den Metallrahmen rechts unten wünsche ich mir zwar weg. Aber da er ebenfalls dunkel ist, stört er nicht zu sehr.
Minimalistische Räumlichkeiten
Endlich auch einmal eine Farbfotografie. Obwohl: Außer dem Gelb gibt es hier gar keine richtigen Farben. Und genau dieser Minimalismus und die strenge Komposition mit der Wasserwaage macht diese Fotografie aus. Dieser einfache Raum ist so karg, dass der Blumenstrauß so richtig schön zur Geltung kommt. Es war übrigens das Blitzgerät, welches zur Decke gerichtet den gesamten Raum mit Licht geflutet hatte, dass er so schön steril auf dem Foto wirkt. Ohne Kunstlicht geht so etwas leider nicht.
Wieder so ein typisch analoges S/W-Foto: Der Raum ist minimalistisch eingerichtet. Mein Modell ist entsprechend gekleidet, der Schrank dunkel dominant, schlicht.
Mit „Räume“ meine ich jedoch nicht nur die innerhalb von Gebäuden. Hier befand ich mich auf dem Gelände einer Gedenkstätte mit großen homogenen Flächen und Treppen. Solche Orte finden sich innerhalb von Städten wenige für entsprechend minimalistische Fotografien. Parkanlagen (englische Gärten) eignen sich häufig jedoch.
Ein Portrait mit meiner analogen Mittelformatkamera auf S/W-Film: Ich fand, dieses kleine Rondell in der Altbauwohnung eignete sich gut für ein Bild des Malers. Selbst mit Blumenstrauß im Fenster wäre diese Fotografie noch minimalistisch genug – Es gibt halt nur eine Handvoll an Elementen auf dieser Fotografie. Sie wirkt zudem sehr „sachlich“, da wir keine Kosmetik betrieben haben und sich auch niemand für dieses Foto hübsch machen sollte.
Dies ist das Foto, von dem es oben bereits einen Ausschnitt zu bewundern gab. Es zeigt die Außenwand eines Kinos in Kassel. Ich saß damals mit meiner analogen Mittelformatkamera auf einer Mauer gegenüber dieser Wand und schaute von oben auf die Mattscheibe der Kamera, welche fest auf der Mauer stand. Ich wartete einfach, bis die beiden durch das Bild liefen und löste mit ca. 1/8 Sekunde aus. Durch die klaren Linien des abstrakten Gebäudes und durch die Bewegungsunschärfe wirkt diese minimalistische S/W-Fotografie recht artifiziell. Es war aber kein großer Aufwand, sie anzufertigen. Man muss sich einfach nur derlei interessante bzw. schlichte Bauwerke vornehmen bzw. sich vor ihnen positionieren.
Dies ist dir Treppe solch eines typischen Brutalismus-Gebäudes, bei dem nicht versteckt werden soll, dass es aus Beton besteht. Für die minimalistische Fotografie ist dieser Baustil ideal, denn er ist alles andere als visuell aufdringlich. So kann man vor dieser Kulisse perfekt Fotomodelle positionieren. Hier blitzte ich von rechts eine junge Frau mit einem Paket an.
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Monotone Umgebung
Derlei „Brutalismus-Gebäude“ eignen sich auch sehr gut für die minimalistische Farbfotografie. Hier hatte ich eine junge Frau einfach vor solch einer schlichten Wand fotografiert. Ich mag solche Porträtaufnahmen. Nichts lenkt hier ab.
Aber eigentlich meine ich mit „monotoner Umgebung“ solche Landschaften wie diese hier – das Meer zum Beispiel. Dieses Bild ist eigentlich das „Negativ“ von einem der Motive, die ich zuerst in diesem Beitrag gezeigt hatte, nur dass hier nun etwas Dunkles vor einem homogen hellen Hintergrund erscheint, die Pflöcke bzw. Wellenbrecher. Insbesondere am Meer bzw. am Strand gelingen sehr einfach minimalistische Fotografien, weil es hier kaum ablenkende Dinge im Sichtfeld gibt:
Bei dieser Aufnahme ging es mir um die beiden großen Steine und um die Pfütze davor. Der Hintergrund lenkt nahezu gar nicht ab, weil er ja durch die Langzeitbelichtung schön dunstig verwaschen ist. In Kombination mit dem „Milchglaslicht-Himmel“ ergibt dies eine sehr sachlich erscheinende Landschaft, eine monotone Umgebung, innerhalb derer nichts vom eigentlich Motivelement ablenkt.
Das Meer eignet sich hervorragend für minimalistische Fotografien. Man muss nur eine Person davor positionieren.
Hier fotografierte ich einen Freund auf dem Gelände eines Bergwerkes, wo man kurioserweise Zutritt bekam, weil am Sonntag niemand da war und alles offen stand. Jedenfalls ist diese Mondkulisse sehr gut dafür geeignet, als nicht ablenkender Hintergrund für solche Portraits zu dienen.
Auch dieser See bzw. die entfernten Hügel eignen sich als monotone Umgebung, bei welcher eine Person, bei der es bei dieser Fotografie ja geht, hervor zu heben. Ich fotografiere am liebsten solche Landschaften bei diffusem Licht, bei bewölktem Himmel also. Dies ergibt eine Landschaft ohne ablenkende Hell-Dunkel-Kontraste. Den einzigen, prägnanten Kontrast möchte ich hier ja über die dunkel gekleidete Person haben.
Und wieder so eine karge Landschaft bei grauem Novemberwetter: Durch den großzügigen Himmel und die unaufdringliche Wiesenlandschaft in S/W kommt die Person in ihrer Bewegungsunschärfe sehr prägnant zur Geltung.
Nebel
Hier eines der wenigen Farbfotos von mir. Durch den Nebel verschwinden die Konturen in der Ferne. Das Auge des Betrachters wird allein auf die „Strohburg“ gelenkt.
Von Nebelbildern habe ich nicht viele. Bei dieser S/W-Fotografie verschwindet sogar die Straße im Nebel und der vordere Busch kommt viel besser zur Geltung. Eigentlich fehlt hier noch eine dunkel gekleidete Person, im Vordergrund auf der schmalen Straße stehend. Dann wäre dies ein tolles Foto.
Schnee
Schnee eignet sich äußerst gut dazu, Fotografien minimalistisch wirken zu lassen, denn er verdeckt sehr vieles, was optisch nur ablenkt. Diese Fotografie im Wald hätte ich ohne den Schnee wohl nie gemacht, schon gar nicht im Sommer, wenn das viele Laub an den Bäumen den Blick ablenkt. Doch durch den weißen Belag erscheint der umgestürzte Baum, wie er sich an den anderen lehnt, deutlich prägnanter und hervor gehobener.
Diesen Zaun hätte ich ohne Schnee auch nicht fotografiert. Denn der Kontrast der Zaunlatten wäre ohne das Weiß gar nicht gegeben und das Bild wäre langweilig gewesen. So jedoch wirkt es auch durch den Milchglashimmel und durch die Zweige oben sehr schön minimalistisch komponiert.
Noch ein Farbfoto: Richtig gut kommen die beiden Skiläufer hier herüber. Ohne dem vielen Weiß kämen sie nicht so gut zur Geltung (und so natürlich auch nicht voran). Obacht beim Fotografieren bei Schnee: Der interne Belichtungsmesser der Kamera lässt sich hier oft täuschen bzw. die Kamera belichtet etwas zu knapp. Lesen Sie daher bei Interesse auch → Richtig Fotografieren bei Schnee.
Für diese Aufnahmen bin ich tagelang durch den Schnee gestapft. Aber der Aufwand hatte sich gelohnt und ich erhielt eine richtig gute Serie minimalistischer Fotografie.
Solch ein Brachgelände (oder Park) innerhalb der Stadt eignet sich ohnehin bereits für eher minimalistisch arrangierte Bilder. Hat man jedoch das Glück, dass das Wasser nachts zu Eis gefror und so eine tolle Kulisse vor Augen, muss man unbedingt die Kamera heraus holen und abdrücken. Selten sieht man seine Umgebung so herrlich minimalistische und abstrakt.
Diese minimalistische Fotografie lebt durch den starken Kontrast zwischen dem Schnee auf dem Bootssteg und dem dunklen Wasser.
Nachts Blitzen
Ich habe noch eine Spezialität, wie ich zu ziemlich minimalistischen Fotografien komme: Ich benutze draußen im Dunkeln einen Blitz:
Zu sehen ist einfach nur ein gelber Wasserschlauch. Aber da ich ihn nachts fotografierte und das einzige Licht für diese Aufnahme das frontale aus meinem Blitzlicht war, wirkt dieses Foto so sehr abstrakt, ungewohnt und minimalistisch.
Angeblitzter Rollsplit bei Nacht: Mehr sieht man hier gar nicht auf diesem Foto, vage noch die Reifenspuren des Baustellenfahrzeugs.
Ein drittes Foto aus meiner Serie über Baustellen bei Nacht (wenn sie schlafen). Durch das viele Schwarz, durch die Dunkelheit sind all die Dinge, die man hier normalerweise sieht, verschwunden.
Auch eine völlig abstrakte und minimalistische Situation: Man sieht durch Blitz und Nacht nur die alten Weihnachtsbäume, das Straßenpflaster und eine Absperrung. Dazu viel Schwarz. Minimalistischer geht es kaum. Bei Tag wäre dieses Bild in dessen Prägnanz, in dessen Schlichtheit so gar nicht möglich gewesen.
Wie abgesägte Köpfe liegen die Strahler der alten Straßenlaternen nun am Wegesrand. Der November hat sein Laub auf sie gelegt.
Noch eine abstrakte Komposition: Gerade und Kreis, dahinter vage noch zu sehen ein Dreieck. Solch minimalistische Fotos kann man vom selben Motiv bei Tageslicht gar nicht machen. Dank dem Blitzgerät bei Dunkelheit funktioniert das jedoch recht problemlos. Dies hat auch damit etwas zu tun, dass die Reichweite des Blitzes rasch nachlässt: Alles, was sich weiter vorne befindet, wird heller abgebildet.
Ich finde, diese Schutzverschalungen erinnern etwas an griechische bzw. römische Säulen. Dabei dienen sie nur als Schutz vor Baufahrzeugen. Durch die geringe Reichweite des Blitzes sind diese Bäume so wunderbar minimalistisch freigestellt vor der tiefschwarzen Nacht.
Einen habe ich noch:
Nah heran gehen
Es ist recht einfach, sich Stillleben zu arrangieren. Geht man nah genug an solche Motive mit der Kamera heran, blendet man alles überflüssige aus und man erhält auch auf diese Art ziemlich minimalistische Fotografien wie bei diesem S/W-Stillleben mit verdorrtem Apfel und Maiskolben. Auch hier fotografiere ich solche Dinge am liebsten analog auf S/W-Film.
Bei dieser Aufnahme musste ich schon sehr nah an die vertrockneten Blumen heran gehen. Durch den grauen, monotonen Hintergrund und das Weglassen von Farbe wirken die Aufnahmen etwas wie die minimalistischen Bilder von Karl Blossfeldt.
Hier war ich mit meiner 6×6-Mittelformatkamera an einem schönen Herbsttag in der Stadt spazieren. Man hatte bereits den Biergarten geräumt und alle Monobloc-Stühle übereinander gestellt, ihn winterfest gemacht. Geht man nah genug heran, ergibt sich hier ein recht abstraktes Muster.
Eben zeigte ich ja bereits einen Maiskolben. Hier fand ich bei einem Spaziergang auf dem Land eine Maispflanze, die nach der Ernte irgendwie vom Anhänger gefallen sein musste. Jedenfalls lag sie so herrlich minimalistisch im sandigen Boden versunken, dass ich ein Foto machen musste.
Dies sind die Blätter von Kürbispflanzen. Ich ging mit der Kamera recht nah heran, so dass nichts anderes zu sehen ist. Durch diesen Beschnitt erhalte ich meinen gewünschten minimalistischen Effekt.
Fazit
Alle meine Beispielfotos zur minimalistischen Fotografie haben eines gemein: Sie funktionieren durch Weglassen überflüssiger Informationen. Dies ist allerdings (insbesondere im städtischen) alles andere als leicht. Es lohnt sich jedoch, bei der eigenen Motivauswahl zu hadern und vielleicht doch nicht abzudrücken, solange viel zu viele Bildinformationen vorhanden sind. Wie man es schafft, an möglichst minimalistische Motive zu gelangen, habe ich hoffentlich in diesem Beitrag anhand meiner Bildbeispiele gezeigt.
Sehr schöne Fotos! Ich versuche auch mehr in S/W zu fotografieren und nur dann, wenn nicht zu viel Ablenkendes im Bild vorhanden ist. Ich versuche, sehr früh an bestimmten Orten zu sein, wenn noch nicht so viel los ist bzw. wenn es menschenleer ist.
Freut mich. Danke für den Kommentar!